«Es gibt durchaus gute Gründe, über eine Immobilienblase zu sprechen. Das Stichwort lautet Prävention.»
Die NZZ weist hier auf ein Instrument hin, das die Schweizerische Nationalbank (SNB) seit anfangs Jahr regelmässig einsetzt, obwohl es nicht ins lehrbuchmässige Arsenal einer Zentralbank gehört. Das Abweichen der SNB von einer strikt auf Geldwertstabilität ausgerichteten Politik, indem sie neu auch einen aktiven Beitrag zum Wirtschaftswachstum und zur Finanzstabilität leisten will, hat zu einer bemerkenswerten Erweiterung ihres Instrumentariums geführt.
„Moral suasion“ heisst der Fachausdruck für die Gesprächstherapie, welche die SNB mit den Banken durchführt (vgl. auch Blogeintrag). Ziel ist es, eine mögliche Immobilienblase durch rechtzeitiges Zerreden zu verhindern. Eine drohende Überhitzung am Immobilienmarkt, gefolgt von einem veritablen Absturz wird nämlich als möglicher Kollateralschaden einer auf die Ankurbelung des Wirtschaftswachstums gerichteten Tiefzinspolitik befürchtet.
Aufgrund der Exportabhängigkeit unserer Wirtschaft und des krisenbedingt starken Schweizer Frankens, sind der SNB die Hände in Sachen Geldpolitik allerdings weitgehend gebunden. Eine Verknappung des Frankens würde zwar die Zinsen steigen lassen, aber auch den Frankenkurs. Und der erfolglose Versuch eine Schwächung des Aussenwertes unserer Währung durch den Kauf von Euros hat dieses Jahr bereits gut 14 Milliarden Franken an Währungsreserven vernichtet.
Nachdem die Geldpolitik nun also blockiert ist, avanciert die moral suasion gemäss SNB-Vizepräsident Thomas Jordan zu einem wichtigen Instrument der SNB (vgl. NZZ). Dieser Wandel ist bemerkenswert. Während Notenbanker bislang als eher verschwiegen galten, sich kaum in die Karten blicken liessen und jedes Wort auf die Nationalbankgoldwaage legten, wandeln sie sich nun vielleicht zu extrovertierten Kommunikatoren.
Wenn die SNB ihr erst seit 2004 bestehendes Mandat bezüglich Finanzstabilität auch auf den Immobilienmarkt ausdehnt, würden ihr viel direktere Mittel zur Verfügung stehen. Meine Studenten sind darauf gekommen, dass man die Eigenmittelanforderungen im Hypothekargeschäft verschärfen könnte. Das Hauptproblem bei diesem Instrument liegt aber beim Timing. Denn sein Einsatz kann mit „always too early but soon too late“ beschrieben werden. Aus Sicht der betroffenen Banken dürfte diese Massnahme wohl stets „zu früh“ ergriffen werden. Erfolgt sie hingegen relativ spät, kann sie von den Marktteilnehmern als Signal einer bereits bestehenden Blase interpretiert werden und dadurch einen Preissturz erst auslösen.
Ähnlich heikel und zudem ordnungspolitisch problematisch wären die Festlegung einer Obergrenze der Belehnung für Immobilien oder Vorgaben für die Berechnung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit bei der Vergabe von Hypotheken durch die Banken. Hierbei würde es sich um einen deutlichen Eingriff in die wirtschaftliche Freiheit privater Unternehmen handeln, der – jedenfalls bei ungeschicktem Timing – zu massiven Korrekturen nach unten führen kann.
Aus volkswirtschaftlicher Warte haben wir es mit einem ähnlichen Problem, wie dem „too big to fail“ zu tun. Das Verhalten der Akteure in einem bestimmten Sektor kann nämlich die gesamte Wirtschaft arg in Mitleidenschaft ziehen. Wir erinnern uns, dass die jüngste Banken- , Finanz- und schliesslich Wirtschaftskrise vom US-Immobilienmarkt ausging.
Vor diesem Hintergrund scheint es mir zielführend, dass die SNB die genannten direkten Massnahmen als Möglichkeit für den Ernstfall beim Namen nennt. Ein solches Säbelrasseln kann dazu führen, dass die Massnahmen erst gar nicht nötig werden.
Insgesamt zeigt sich, dass ein Abweichen der Nationalbank von einer strikt auf Geldwertstabilität ausgerichteten Politik zu verschiedenen Problemen führt. Weil sie mit der Geldmengensteuerung nur über ein einziges wirklich griffiges Instrument verfügt, fällt es ihr schwer, gleichzeitig mehrere Ziele zu erreichen. Und der Spagat zwischen Wirtschaftsankurbelung, Erhaltung der Exportfähigkeit und Finanzstabilität hat dazu geführt, dass die Preisstabilität als zentrales Ziel etwas in den Hintergrund gerückt scheint.
Eine Rückbesinnung auf die alte Tinbergen-Regel, wonach man mit einem Instrument nur ein Ziel verfolgen soll, scheint mir eher früher als später angezeigt.