Die Schweiz hat in den letzten Wochen über das Ende des bilateralen Wegs mit der EU und mögliche Auswege diskutiert. Zum Nationalfeiertag sollte für einmal etwas grosszügiger gedacht werden.
Statt dem EWR oder gar der EU beizutreten, sollten wir einfach den Spiess umdrehen und die Schweiz erweitern.
Gemäss einer neuen Umfrage der Weltwoche ist unsere direkte Demokratie ein derartiger Exportschlager, dass sich in Baden-Württemberg, Vorarlberg sowie den Regionen Savoyen/Hochsavoyen und Como/Varese “eine konstante Mehrheit für einen Anschluss zur Eidgenossenschaft ausspricht“. — Ja, das sommerliche Nachrichtenloch will gefüllt sein.
Wie könnte nun aber eine helvetische Erweiterung aussehen?
Zunächst könnten wir die Romandie um den französischen Jura sowie Savoyen erweitern. Das würde das Mouvement Franche-Comté extrem freuen. Und schliesslich wurde Savoyen von den Franzosen 1860 einfach so annektiert, was wir halt wieder rückgängig machen. Für die Romands ist der Vorteil, dass sie beim Ständemehr nicht mehr ständig überstimmt werden. (Gilt das als Kalauer?)
Die Schweiz würde dann folgendermassen aussehen:
Tatsächlich gibt es Bestrebungen, die Schweiz um die Kantone Savoie und Franche-Comté zu erweitern. Wer’s nicht glaubt, schaut hier. Es gibt auch schon eine entsprechende Autonummer.
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Als nächstes ist der Süden an der Reihe. Aus Sicht der Tessiner sollte man schon längst die italienischsprachige Minderheit stärken. Geeignet wäre dafür eine Erweiterung um die Region Insubrien.
Insubrien? Ja, das gibt’s bzw. gab es. Ist aber schon eine Weile her, 1395-1796 unter der Leitung des Herzog von Mailand.
Man sieht, dass unser Tessin dabei war. Auch heute gibt es tatsächlich eine Bewegung namens Domà Nunch (Site Dragh Bloeu, blauer Drache), die sich für Insubrien und deren Wiedervereinigung mit der Schweiz einsetzt.
Wie schön, dann hätten auch wir unsere Wiedervereinigung! Lago Maggiore, Lago di Como, Lago d’Orta — alles würde uns gehören. Nur leider reicht die Schweiz immer noch nicht bis ans Meer…
Die angestrebte Confederazione Elvetico-Insubre hätte dereinst 15.7 Millionen Einwohner und wäre die neunt grösse Wirtschaftsmacht in Europa (meint jedenfalls Dragh Bloeu). Das ergäbe dann ein ganz neues Bild:
Confederazione Elvetico-Insubre
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Am weitesten geht schliesslich ein Vorstoss der SVP. Wer hätte gedacht, dass diese Partei imperialistisch angehauchtes Gedankengut trägt? Uns rät sie ab, der EU beizutreten, aber die Anderen sollen uns beitreten?
Jedenfalls hat der jurassische SVP-Nationalrat Dominique Baettig die Motion Nr. 10.3215 mit dem Titel “Erleichterte Integration grenznaher Regionen als neue Schweizer Kantone” eingereicht. 26 Fraktionskollegen haben tatsächlich mit unterschrieben. Der Tagesanzeiger hat darüber berichtet und eine nette Karte gezeichnet.
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Wenn alle diese Gebiete zu uns kämen, hätten wir einen rechten Flickenteppich. Und zudem massenhaft Ausländer, für die es massive Integrationsprogramme bräuchte. Doch wären wir dann so gross, dass die EU früher oder später ein Aufnahmegesuch stellen würde. Bravo SVP — das ist echt schweizerische Europapolitik!
Stutzig macht mich nur, dass einzig die Liechtensteiner nicht auf der Liste der Übernahmekandidaten figurieren. Was hat das zu bedeuten?
Leider hat der Bundesrat kein Gehör für solche Anliegen. Er hat die Motion Baettig im Mai 2010 folgendermassen beantwortet.
Eine Revision der Bundesverfassung, die den an unseren Staat angrenzenden Regionen die Möglichkeit geben würde, sich der Schweizerischen Eidgenossenschaft anzuschliessen, würde einen unfreundlichen politischen Akt darstellen, den die Nachbarstaaten zu Recht als Provokation auffassen könnten. Sie würde demnach die Beziehungen zu den betroffenen Staaten in schwerwiegender Weise beeinträchtigen.
Schade, schade. — Bliebe schliesslich noch der Vorschlag von Herrn Gaddafi. Dieser schwimmt etwas gegen den Strom und will die Schweiz lieber auf die Nachbarländer aufteilen…
Das wäre dann allerdings richtig schade… Wallis und Graubünden würden geteilt. Österreich bekäme nichts ab. Lassen wir’s also lieber wie es ist, oder?