26.06.2010

Kostengünstige Gesundheitsleistungen in die Grundversicherung aufnehmen?

Im Juni hat die RVK, der Verband der kleinen und mittleren Krankenversicherer, ihren Jahreskongress dem Thema “Leistungskatalog” gewidmet. Dabei kam unter anderem die Frage auf, ob Leistungen von der obligatorischen Grundversicherung (OKP) übernommen werden sollen, weil sie kostengünstig sind. Oder ist es umgekehrt, dass gerade günstige Leistungen nicht von der OKP bezahlt werden sollen?

Diese Frage trifft den Kern der Sozialversicherungen. Früher waren Alter, Arbeitslosigkeit und Krankheit die grössten Armutsrisiken. Deshalb hat man entsprechende Versicherungen geschaffen und es wurde der Sozialstaat geboren. Während die Arbeitslosenversicherung ihren Versicherungscharakter noch weitgehend erhalten hat, ist die Alters- und Hinterbliebenenversicherung (AHV) längst keine “Versicherung gegen das Alter” mehr.  Sie ist eine Art Vorsorgeeinrichtung mit Umverteilungsmechanismus. Denn der “Schadensfall” tritt ein, sobald jemand das Pensionsalter erreicht hat — was ja eigentlich ein Glücksfall ist.

Ähnlich ist es inzwischen der sozialen Krankenversicherung ergangen. Zwar war auch hier einst die Grundidee, dass Krankheit nicht zu Armut führen solle. Doch hat eine Spirale aus steigenden Leistungen, steigenden Prämien und steigenden Ansprüchen dazu geführt, dass die OKP längst nicht mehr nur der Armutsbekämpfung dient. Sie ist zu einer Versorgungseinrichtung geworden, die allen Bürgern bestimmte medizinische Leistungen zu finanzieren hat, selbst wenn sie sich diese problemlos selbst leisten könnten.

Dafür sind die Prämien derart gestiegen, dass sie sich einkommensschwache Haushalte kaum mehr leisten können. Inzwischen werden gegen 40% der Schweizer Haushalte in Form von Prämienverbilligungen subventioniert. Hierfür gibt die Schweiz heute mehr aus, als für die Landesverteidigung. Das System ist allmählich von einer Finanzierung über Kopfprämien zu einer Steuerfinanzierung übergegangen.

Vor diesem Hintergrund scheint es verständlich wenn Prämienzahler fordern, dass vergleichsweise kostengünstige Leistungen, wie etwa jene der Komplementärmedizin, von der Grundversicherung übernommen werden sollen. Schliesslich sind die Prämien hoch und steigen weiter. Diese Anspruchslogik legt nahe, dass der Leistungskatalog das  zu bieten hat, was sich die Versicherten wünschen. Entsprechend fordern etwa die Befürworter der Komplementärmedizin — auch aufgrund der für sie erfolgreichen  Abstimmung vom Mai 2009 — die Aufnahme der entsprechenden Leistungen in die Grundversicherung.

Ökonomisch gesehen steht diese Haltung aber im Widerspruch zur Versicherungslogik die besagt, dass ein Haushalt all jene finanziellen Risiken selbst tragen oder selbst versichern soll, die ihm zumutbar sind. Gerade Leistungen, die vergleichsweise günstig sind, sollten also nicht kollektiv finanziert werden. Eine Zusatzversicherung für komplementärmedizinische Leistungen kostet 5 bis 10 Franken pro Monat.

Hinterlasse einen Kommentar

Dein Kommentar:

Kategorien