Vor zwei Tagen haben die Gesundheitsdirektoren entschieden, dass sie vorerst nicht entscheiden. Die zuständigen Regierungsräte konnten sich nicht darauf einigen, welche Zentren künftig welche Organtransplantationen durchführen dürfen; vgl. NZZ. Dieser Zustand ist skandalös, weil er teuer ist und die medizinische Qualität mindert.
Fallzahlen entscheidend
Die Schweiz ist so klein, dass pro Organ höchstens ein Zentrum vertretbar ist. Dies gilt einerseits aus medizinischer Sicht. Je mehr Eingriffe an einem Zentrum durchgeführt werden, umso besser ist die Qualität. Lerneffekte sind hier zentral. Während der eigentliche chirurgische Eingriff für ein eingespieltes Team heutzutage an jedem Universitätsspital problemlos zu bewältigen ist, stellt die Nachsorge für den Erfolg von Organtransplantationen nach wie vor die grösste Herausforderung dar. Dabei geht es vor allem um die Kontrolle der Imunabwehr bzw. möglicher Abstossungsreaktionen nach der Transplantation. Hierzu braucht es vor allem Erfahrung, sprich hohe Fallzahlen.
Auch aus ökonomischer Sicht bestehen massgebliche Vorteile einer Konzentration auf ein Zentrum. Skaleneffekte ergeben sich aufgrund der Nutzung der Apparate und der Infrastruktur. Hohe Fallzahlen führen durch routinierte Teams zu Effizienzgewinnen.
Angenommen ich müsste eine komplizierte Operation an meiner Hand durchführen lassen. Welchen Chirurgen würde ich wählen? Einen, der diesen Eingriff fünf mal pro Jahr macht oder einen, der ihn jährlich fünfzig mal macht? Diese Aspekte sind offensichtlich und eigentlich völlig unstrittig.
Politischer Entscheid
Die jetztige Entscheidung der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) ist also rein politisch motiviert. Die nötige Verringerung von drei Herztransplantationszentren auf eines wird unnötig verzögert. Das ist politisch verständlich, denn es geht hier um das höchste Gut — das Prestige. Und schliesslich werden Transplantationen von den Medien zur Spitzenmedizin hochstilisiert, was vor 10 oder 20 Jahren gerechtfertigt war. Wer diese Eingriffe machen darf, gilt als Top, wer sie verliert als Flop. Vermeintliche Spitzenmedizin wird vom Volk als Signal für Qualität im teuren Gesundheitswesen gesehen — das wissen auch die Mitglieder der GDK.
Auffällig ist das Gerangel ums Herz, das offenbar prestigeträchtigeste Organ. Als nächstes folgen Lunge und Leber, wogegen Pankreas und Nieren weniger Ehre erbringen. Selbst St.Gallen darf hier mitmischen. Die absoluten Zahlen sind allerdings vor allem bei den Herzen erstaunlich gering. 2009 lag Bern mit 13 Herztransplantationen vor Zürich mit 9 und Lausanne mit 8. Im Jahr zuvor war die Rangliste gleich, aber 2007 lag Zürich mit 13 zu 7 gegenüber Bern an der Spitze. 2006 stand es im Deutschschweizer Duell 14:5 für Bern. Man wähnt sich im Fussball.
Wenn die GDK nun Zürich eine “weitere Chance” gibt, um bis ins Jahr 2013 neue Daten zu sammeln und seine Qualität zu beweisen, setzt das Gremium falsche Anreize für alle Beteiligten. Um die Bilanz zu schönen, könnten Zentren nämlich vor allem einfache, unkomplizierte Fälle transplantieren und schwierigere Fälle für eine Überbrückung oder ein Kunstherz auswählen. Dies jedenfalls befürchtet der Chirurg Carrel. Solche sachfremden Überlegungen könnten fatal sein.
Wichtige Spenderarbeit
Was mir in der ganzen Angelegenheit fehlt, ist der Aspekt der Spenderarbeit. Weil es stets zu wenig Spenderorgane gibt ist es nötig, dass die Spitäler sich aktiv um Spenden bemühen. Diese wichtige Arbeit wird in erster Linie auf den Notfall- und Intensivstationen geleistet wo es gilt, geeignete Spender zu identifizieren, zu melden, mit Angehörigen zu sprechen und Entnahmen durchzuführen. Meines Wissens wird diese Arbeit nicht gesondert entschädigt und fällt zusätzlich zum hektischen Alltagsgeschehen auf diesen Abteilungen an.
Die Motivation für eine Spenderarbeit scheint den Spitalleitungen unterschiedlich zu gelingen. Jedenfalls führte 2009 Bern die Liste der Spendenspitäler mit 20 Spendern klar an. Trotz der Abstützung auf mehrere Standorte (Unispital, Triemli, Winterthur, Kinderspital) gelang es im Kanton Zürich lediglich 5 Spender zu finden. Das ist weniger als Basel und Lausanne (je 11), Lugano (9), St.Gallen (8) oder Luzern (6). Selbst die Kleinstädte Aarau und Sion kam auf 5 Spender. Obwohl die Zahlen schwanken, ist unklar warum der Beitrag des bevölkerungsreichsten Kantons auch in der längerfristigen Betrachtung vergleichsweise gering ist.
Im Hinblick auf die notwendige Reduktion der Transplantationszentren wäre es jedenfalls richtig, auch die Spenderarbeit zu berücksichtigen. Hiermit würden auch im Sinne der Menschen auf der Warteliste die richtigen Anreize gesetzt.