Bravo WEKO: Orange darf Sunrise nicht übernehmen
Die Ankündigung des Deals im November 2009 weckte grosse Hoffnungen. Viele Kommentatoren sahen durch ein künftiges Zusammengehen von Sunrise und Orange eine “Gegenmacht” zur mächtigen Swisscom entstehen. Orange-CEO Thomas Sieber behauptete, dass der bereits bestehende, intensive Wettbewerb dadurch zusätzlich gestärkt werde und die Preise sicher nicht steigen würden.
Leider ist dies sowohl theoretisch, wie empirisch falsch. Man kann der Wettbewerbskommission (WEKO) zu ihrem ökonomisch richtigen und politisch mutigen Entscheid von heute nur gratulieren.
Die WEKO schreibt heute in ihrer Begründung:
Zwar würde durch den Zusammenschluss ein gegenüber Swisscom grösseres Unternehmen entstehen, aber gleichzeitig würde eine Situation geschaffen, in welcher für keines der beiden Unternehmen mehr ausreichende Anreize für Wettbewerb bestünden.
Ein Duopol hat kaum Anreize einen Preiswettbewerb (sog. Betrand-Wettbewerb) zu starten. Die theoretischen Argumente notiere ich unten als Kommentar. Schon beim bestehenden Tripol mit drei Mobilfunkanbietern herrscht kaum Preiswettbewerb. Das kennen wir auch aus anderen Oligopolen, etwa beim Benzin, wo alle Anbieter wissen, dass ein Preiskampf allen schadet – ausser den Konsumenten natürlich.
Vergleich mit dem Ausland
Ein Blick ins Ausland zeigt, dass jeder zusätzliche Anbieter die Preise weiter senken hilft. So fand Comparis.ch in einem Preisvergleich der Handytarife in Österreich und der Schweiz Unterschiede von bis zu 650% zwischen beiden Ländern – für die selbe Leistung. Der Grund? Bei unseren Nachbarn gibt es 5 unabhängige Anbieter. Und deshalb haben Orange Austria und Orange Schweiz so unterschiedliche Preise.
Interessant ist, dass dies recht unabhängig vom Marktanteil der Firmen zutrifft. Es ist nämlich nicht zentral, dass der Mittbewerber von Swisscom einen hohen Marktanteil hat (wie dies etwa der Orange CEO behauptet), sondern dass es wirtschaftlich unabhängig agierende Anbieter gibt. Auch viele Kleine können für Wettbewerb sorgen — d.h. alternative Angebote machen oder tiefere Preise offerieren — und damit eine disziplinierende Wirkung auf eine dominante Firma wie die Swisscom haben.
Vergleich mit früheren Entscheiden der WEKO
Frühere Fusionen hatte die WEKO zugelassen. Beispielsweise Coop-EPA-Waro und Migros-Denner. Allerdings geschah dies nur mit Auflagen. Vorliegend wären diese aber nicht zielführend. Zudem war in diesen Fällen die Offenheit der Märkte, sprich der Marktzutritt weiterer Anbieter, ein wichtiges Argument. Im Mobilfunkmarkt ist dies aber nicht der Fall.
Denn erstens wäre es ökonomisch (und auch sonst) unsinnig, dem Wald von 15′000 Sendemasten weitere hinzuzufügen (natürliches Monopol) und zweitens ist die kleine Schweiz mit ihren Auflagen und Regulierungen für internationale Anbieter schlicht zu wenig attraktiv. Ansonsten hätten wir bereits in den letzten Jahren Markteintritte ausländischer Anbieter beobachten müssen. Bei einem Duopol wäre dies noch viel weniger zu erwarten. — Danke WEKO, dass Du uns dieses Duopol-Experiment ersparst!
Geht Sunrise?
In der Branche ist bekannt, dass die skandinavische Mutter von Sunrise ihre Schweizer Tochtergesellschaft verkaufen möchte, um sich auf ihre Heimmärkte zu konzentrieren. Aufgrund der ungenügenden Ertragsentwicklung wird ein Verkauf aber nicht einfach sein. Sollte sich Sunrise zurückziehen, entstünde wiederum ein Duopol.
Echte Liberalisierung
Spätestens dann wäre es an der Zeit, den Markt faktisch zu öffnen, d.h. wahrhaft zu liberalisieren. Dies würde einerseits bedeuten, die Infrastruktur in eine separate Gesellschaft zu überführen. Die Infrastruktur stellt nämlich ein natürliches Monopol dar, das durch fallende Durchschnittskosten geschützt ist vor Markteintritten. Neben den Vorschriften und der faktischen Unmöglichkeit des Aufstellens neuer Antennen aufgrund verschiedener Widerstände, liegt hierin nämlich der Grund für die fehlenden Markteintritte in der Vergangenheit.
Andererseits würde die Swisscom dadurch einem echten Preis-Leistungswettbewerb ausgesetzt. Neue Firmen könnten eintreten. Sie wären nicht mehr auf die Nutzung des Swisscom- oder Orange-Netzes angewiesen bzw. den Interkonnektionsgebühren einer Quasi-Monopolistin ausgeliefert.
Die ökonomisch saubere Lösung lautet also: Das Netz vom Angebot auf dem Netz zu trennen. Davon sind wir aber noch weit entfernt.