Rekordhohe Kapazitäten erlauben schnellen Zugriff auf Gesundheitsleistungen, führen aber zu massiven Kosten
Alle Jahre wieder steigen die Prämien der Krankenkassen. Dies ist ebenso gewiss, wie das nachfolgende Wehklagen der Prämienzahler. Allerdings müssen sich diese auch ein wenig selbst bei der Nase nehmen. Denn der Prämienanstieg beruht auf dem Kostenanstieg. Dieser hat zwar viele Ursachen, doch ein wichtiger Faktor ist folgender: Als gesunde Bürger wollen wir tiefe Gesundheitskosten, sobald wir aber krank sind, wollen wir als Patienten nur das Beste. Und zwar schnell – das kostet.
Denn unser Gesundheitssystem kennt weltweit die kürzesten Wartezeiten. Dies ist uns vielfach nicht bewusst. Wenn wir aber ins Ausland schauen, möchten wir nicht tauschen. In Frankreich, Italien, Grossbritannien und den meisten anderen Industrieländern gibt es für viele Untersuchungen monatelange, teils jahrelange Wartelisten.
In manchen Regionen von Australien mussten Frauen schon mehr als vier Jahre warten, bis sie von einem Gynäkologen untersucht werden konnten. Weitere Beispiele habe ich bereits früher einmal in diesem Blog gegeben.
Von solchen Zuständen sind wir glücklicherweise weit entfernt. Der schnelle Zugang zu Gesundheitsleistungen bedeutet aber, dass bei uns grosse Kapazitäten vorhanden sind, deren Aufrechterhaltung kostet. Zudem besteht die Gefahr, dass bestehende Kapazitäten, wie etwa frei Betten oder Labors, bei fehlender Auslastung künstlich belegt werden. Das kostet zusätzlich.
Und schliesslich ist es so, dass leider niemand wirklich ein Interesse daran hat, dass die Kosten gedämpft werden. Denn alle im Gesundheitswesen verdienen gut mit. Der Prämienjammer einmal pro Jahr lässt sich da gut ertragen.
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Dieser Text ist am 4. Oktober 2015 in meiner Kolumne im Sonntagsblick in gekürzter Form erschienen.