Anreizunverträglichkeit und Beamten-Mikado im Bankensektor
Die sozialdemokratische Partei (SP) fordert eine Sondersteuer von 8,5% auf Bonuszahlungen über einer Million Franken; vgl. Tagesanzeiger von heute. Das klingt populär, ist aber ökonomisch nicht sinnvoll. Die Idee hat die SP aus Grossbritannien importiert, wo letztes Jahr eine einmalige Sondersteuer von 50% auf Bankboni eingeführt wurde.
Auf diese Änderung der Anreize haben die UK-Banken prompt reagiert. Sie haben die Boni aber nicht etwa gesenkt, sondern das getan, was in der gegebenen Situation ökonomisch rational ist, nämlich die Boni fast verdoppelt.
Das ist gut für den Staat, weil er seine Einnahmen erhöht, aber schlecht für die Banken. Denn durch diesen Mittelabfluss wird ihre Kapitalbasis zusätzlich geschwächt. Und das ist wiederum schlecht fürs System, weil die Wahrscheinlichkeit für Bankpleiten steigt. Die Banker verdienen aber kaum weniger. Auch für die Schweizer Banken wäre eine entsprechende Anpassung an eine Bonussteuer zu erwarten.
Anreizunverträglichkeit
Einmal mehr zeigt sich, dass unüberlegte Staatseingriffe kontraproduktiv sind. Bei solchen Eingriffen ist es absolut zentral, dass man die Anzeizwirkungen ex ante sorgsam durchdenkt. Die Bonussteuer ist ein hervorragendes Beispiel für eine Anreizunverträglichkeit, bei der das anvisierte Ziel einer staatlichen Massnahme nicht erreicht wird und sich schwerwiegende Nebenwirkungen ergeben. — Glücklicherweise beisst die SP mit ihrem Vorschlag bei den anderen Parteien vorerst auf Granit, wie der Tagi schreibt.
Das Problem der hohen Banker-Löhne ist mit dem Beamten-Mikado vergleichbar: Wer sich zuerst bewegt, verliert. Alle Banken sind sich wohl weltweit bewusst, dass das Lohnniveau übertrieben hoch ist. Wer aber als erstes eine Lohnkorrektur nach unten vornimmt, verliert möglicherweise seine besten Leute an andere Banken. Das wissen alle und darum fährt keiner die Boni herunter.
Kollektives Handeln gefragt?
Damit stehen die Banken insgesamt vor einem Problem des kollektiven Handelns. Im Prinzip müssten die Banken weltweit kollektive Lohn- bzw. Bonussenkungen vereinbaren. Damit würden sie aber den Wettbewerb ausschalten und ein Kartell bilden. Allein schon aufgrund der grossen Zahl an Banken wäre dies nicht durchführbar und aufgrund der Wettbewerbsbeschränkung auch nicht wünschbar.
Was also tun? Zunächst ist zu bedenken, dass die aktuelle Situation massgeblich auf den Umstand zurückzuführen ist, dass in allen Ländern umfangreiche Rettungsaktionen für notleidende “systemrelevante” Banken durchgeführt wurden. Ohne Rettungsmassnahmen hätten zahlreiche Banken schliessen müssen, auch gutbezahlte “Top-Banker” wären arbeitslos geworden und die Löhne bzw. Boni wären gesunken.
Hohe Boni als Folgekosten der Bankenrettung
Mit anderen Worten hätte eine Marktbereinigung — auch bei den Boni – stattgefunden. Diese wurde aber gebremst, um negative Auswirkungen von Bankzusammenbrüchen auf das übrige Wirtschaftssystem zu verhindern. Aus heutiger Sicht war die Bankenrettung zwar notwendig und richtig, doch erleben wir heute die hohen Boni als späte Nebenwirkungen. Es handelt sich gewissermassen um die zusätzlichen Kosten der Rettung vor dem Wirtschaftskollaps.
Mit hohen Boni müssen wir vermutlich noch eine Weile leben. Denn es ist — zumindest für mich — noch nicht recht absehbar, wann das Beamten-Mikado aufhört. Vielleicht erst bei der nächsten Krise, wenn insolvente Systembanken systematisch zerlegt werden? Immerhin gibt es hierfür schon einige Vorschläge, z.B. von Avenir Suisse.
PS: Wer hätte vor der Finanzkrise geglaubt, dass sich Avenir Suisse tatsächlich einmal ernsthaft Gedanken dazu macht, wie man die UBS oder CS sauber zerlegen kann?