27.08.2014

How Useful is Economics ?

How Useful is Economics — How is Economics Useful…?

Diese beiden Fragen standen am vergangenen Wochenende im Zentrum der Abschlussveranstaltung des jährlichen Treffens der Nobelpreisträger am Bodensee. In Anwesenheit von Königin Silvia von Schweden, welche zu einem Verwandtenbesuch auf die Insel Mainau gekommen war, versuchten Peter Diamond, Al Roth und Bob Merton Antworten zu finden.

Anreize und Zielkonflikte

Auf den ersten Blick trivial, aber im Kern doch ganz fundamental ist die Feststellung, dass sich «Economics» als verhaltenswissenschaftliche Methode mit der Wirkung von Anreizen befasst. Diese sind nicht nur im Kontext des üblichen wirtschaftlichen Handelns relevant – wenn es etwa um Kaufen und Verkaufen von Gütern geht – sondern insbesondere dann, wenn der Staat Regeln aufstellt und steuernd oder koordinierend eingreift.

Nobel Laureates Persson, Diamond, Roth and Merton listening to Queen Silvia of Sweeden.

Peter Diamond erörterte dies anhand seines Spezialgebiets, der Ausgestaltung von Rentensystemen. Systeme, welche zu einem früheren Zeitpunkt passend waren, müssen laufend an den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel angepasst werden (bspw. an die demographische Alterung) unter Beachtung der Anreizwirkungen, welche sie verursachen. Beeinflusst werden nicht nur das Sparverhalten, mit Wirkungen auf den Konsum, sondern auch das Investitionsverhalten, wenn etwa im Rahmen eines Versicherungsobligatoriums Milliarden an Geldern sicher angelegt werden müssen, wovon in der Folge unter anderem der Immobilienmarkt betroffen ist.

«Economics» ist also die Analyse der Anreiz- und Feedbackwirkungen in komplexen sozialen Systemen. Weil die dabei notwendigen Modelle immer auch auf vereinfachenden Annahmen beruhen müssen, sind die Ergebnisse nicht immer eindeutig. Oftmals muss in alternativen Szenarien gedacht werden, denen allenfalls Wahrscheinlichkeiten zugeordnet werden können. «The question is often not „can you do it“? But: „can you do better than the existing alternatives?“ » so Diamond.

Und selbst wenn die analytischen Ergebnisse und Handlungsempfehlungen klar und eindeutig sind, kommen bei deren Umsetzung verschiedene Dinge erschwerend hinzu.

Einerseits müssen oftmals Wertungen vorgenommen werden, die sich nicht wissenschaftlich begründen lassen. Robert Merton betonte hier die Existenz von verschiedenen Zielkonflikten (tradeoffs), die spätestens bei der konkreten Implementation von Massnahmen und Regulierungen bewältigt werden müssen. Merton, einer der führenden Finanzmarktspezialisten, nannte etwa den Tradeoff zwischen Risiko und Rendite als klassischen Fall eines Zielkonflikts, welcher sich dem streng wissenschaftlichen Urteil entzieht. Wissenschaft kann lediglich versuchen, alle effizienten Kombinationen zwischen Risiko und Rendite, die sich in einer konkreten Situation ergeben, aufzuzeigen (efficient frontier), aber die Wahl der schliesslichen Kombination ist dem einzelnen Akteur oder im Falle staatlicher Regulierung der Politik überlassen. Wenn sich im Nachhinein – oftmals Jahre später – eine andere Kombination als optimaler erwiesen hätte, kann dafür nicht die Wissenschaft verantwortlich gemacht werden. Politik und Öffentlichkeit erwarten hier von der Wissenschaft eine Leistung, welche sie niemals erbringen kann.

Politik

Zudem müssen Regulierungen und Systeme (z.B. Bildungs-, Renten- oder Steuersysteme) in Gesetze gegossen und implementiert werden. Dies ist keine Aufgabe der Wissenschaft, sondern der Politik und der Verwaltung. Im politischen Prozess werden Modelle und Ratschläge, welche für sich selbst genommen effizient und stimmig sein mögen, verfälscht, neu kombiniert und verwässert. Dies liegt nicht grundsätzlich an der Unfähigkeit der Politiker, obwohl diese eine Rolle spielen mag. Wichtiger sind die Anreize, welche von demokratischen, politischen Systemen ausgehen.

Zur Umsetzung von Massnahmen sind Mehrheiten notwendig. Um diese zu erreichen, müssen oftmals Kompromisse eingegangen und Zugeständnisse an politisch Andersdenkende gemacht werden. Dies führt mit schöner Regelmässigkeit dazu, dass angestrebte Wirkungen nicht erreicht, unerwünschte Effekte verstärkt und unerwartete Nebenwirkungen erzeugt werden. Aus einem ursprünglich wohlüberlegten Reformplan wird im politischen Prozess ein bestenfalls nutzloses, manchmal aber auch schädliches Wirrwarr mehrheitsfähiger, aber widersprüchlicher Massnahmen.

Erschwerend kommt hinzu, dass nicht alle Massnahmen stets populär sein können, die Politiker aber wieder gewählt werden wollen. Treffend fasst das Dilemma der Politiker ein Bonmot zusammen, welches dem luxemburgischen Politiker Jean-Claude Juncker zugeschrieben wird:

«We all know what to do, we just don’t know how to get re-elected after we’ve done it.»

Faktor Mensch

Und schliesslich kommt der Faktor Mensch ins Spiel. Während sich Moleküle unter gleichen Bedingungen immer gleich verhalten, gilt dies für den Menschen nicht. Der antizipiert, adaptiert und lernt. Und er experimentiert und innoviert manchmal gezielt und bewusst.

Folgt man Alvin Roth bei seiner Definition „economics is what people do“, so wird klar, dass sich Ökonomen den vielleicht schwierigsten Forschungsgegenstand ausgesucht haben. Der Kosmos mag komplex erscheinen, doch kommen die wenigsten Galaxien plötzlich auf die Idee, heute mal was ganz anderes zu machen. Die Fähigkeit, das Verhalten gezielt zu variieren, etwas auszuprobieren, daraus innovative Schlüsse für Neues zu ziehen, also zu reflektieren und auch zu antizipieren macht die Analyse menschlichen Verhaltens ungleich schwieriger, zumal es meist auch um die Betrachtung gesellschaftlicher Systeme geht, bei welchen eine grosse Zahl heterogener Individuen interagiert und verschiedene Feedbackmechanismen existieren. So gesehen erscheint die Analyse des Alls eine fast schon simple Angelegenheit.

Gute Modelle?

Angesprochen auf die Qualität ökonomischer Modelle sind für Robert Merton drei Aspekte zentral. Erstens das Modell und seine Annahmen selbst, zweitens der Nutzer des Modells und drittes seine Anwendung. Erst aus dem Zusammenspiel dieser drei Elemente lässt sich die Qualität oder den Nutzen eines Modells beurteilen.

Während ein Modell also für den einen Nutzer (etwa die Zentralbank), im Hinblick auf eine bestimmte Anwendung (etwa die Prognose der langfristigen Inflation), sehr hilfreich sein kann, mag das selbe Modell für einen anderen Nutzer und in einem anderen Anwendungskontext unbrauchbar oder gar irreführend sein. Auf die unterschiedlichen Arten ökonomischer Modelle und deren Anwendungen habe ich in diesem Blog bereits früher einmal hingewiesen [Blogeintrag].

Technologien

Technologien haben in allen Bereichen der Gesellschaft weitreichende Auswirkungen. Robert Merton verwies darauf, dass die Finanzmärkte in den letzten Jahrzehnten durch neue Technologien völlig umgekrempelt wurden.

Dies beginnt etwa bei der Definition einer Bank. Während es früher klar war, was eine Bank ist und rigide gesetzliche Definitionen existieren, gibt es immer mehr Firmen und Organisationen, welche sich wie eine Bank verhalten, auch wenn sie es im rechtlichen Sinne gar nicht sind. Dieses „shadow banking“ führt zur Notwendigkeit einer neuen Betrachtungsweise dessen, was eine Bank ist und ausmacht, indem etwa auf die finanziellen Funktionen, welche eine Organisation ausübt abgestellt wird. Die schnelle und globale Verfügbarkeit von Informationen hat das traditionelle Finanzgeschäft fundamental verändert. Der Handel mit Gütern, Wertschriften und Währungen, welcher früher nur wenigen Spezialisten vorbehalten war, ist heute für jedermann zugänglich. Jeder ist dank technischen Möglichkeiten sein eigener Wertschriftenhändler geworden.

Recommended: Interview with Al Roth on illegal markets and repugnant transactions.

Fotos (c) by Tilman Slembeck, 2014

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