27.09.2013

Eine These zur Typologie der Hochschulen

Kürzlich hat der Leiter des Collegium Helveticum „Sechs Thesen zur Typologie“ der Hochschulen aufgestellt (NZZ, 11.09.13). Aufhänger ist das neue Hochschulförderungsgesetz (HFKG). Unterschieden werden insbesondere universitäre Hochschulen und Fachhochschulen sowie zudem pädagogische Hochschulen und Kunsthochschulen.

Meine These dazu lautet, dass es diese Typologie gar nicht braucht. Auch wenn sie heute noch eine gewisse Orientierungshilfe liefert und manche Pfründe sichert, ist die Trennung in universitäre und nicht-universitäre Hochschulen ebenso künstlich, wie international ungebräuchlich. — Konsequent zu Ende gedacht, bedeutet die Unterscheidung zudem, dass die Medizin und die Jurisprudenz an die Fachhochschule gehören und nicht an die Universität.

Langfristig muss sich eine Hochschule anhand der Qualität ihrer Lehre und Forschung am Markt bewähren. In einer globalisierten und von angelsächsischen Traditionen dominierten Hochschulwelt, sind Profil und Reputation einer Institution ausschlaggebend, nicht der offizielle Hochschultyp nach germanischer Lesart.

Diese Prognose ist alles andere als gewagt. International existieren hunderte von „Universities“, die sich nach Profil und Qualität unterscheiden. Auf den Märkten für Absolventen, Forscher und Forschungsaufträge spielt deshalb der Ruf der dahinter stehenden Hochschule, sprich University, eine zentrale Rolle.

So hat etwa das einst ruhmvolle Kürzel eines MBA viel von seinem Glanz eingebüsst. Heute kommt es beim Sprung in die Teppichetage nicht darauf an, dass man einen MBA-Titel trägt, sondern von welcher Institution er verliehen wurde.

Es ist eine ganze Industrie von Ratings und Rankings von Studienprogrammen und Hochschulen entstanden, deren Ranglisten von Studienwilligen, wie von Personalverantwortlichen gleichermassen rezipiert werden. Keine Hochschule, die in der oberen Liga mitmischen will kann es sich leisten, auf einen engen und regelmässigen Kontakt mit den Machern der Ratings zu verzichten. Der Markt spielt und er tut dies über alle Landesgrenzen hinweg. Da erscheint die hiesige Hochschultypologie reichlich überkommen.

Warum wird hierzulande an der Typologie dennoch festgehalten?

Im Kern liegt ihre Funktion in der Sicherung tradierter Besitzstände und Vorrechte, wie etwa der üppigen Finanzierung der beiden ETH durch den Bund, des Promotionsrechts der Universitäten oder deren direkten Zugang zu den milliardenschweren Mitteln des Schweizerischen Nationalfonds. Die staatliche Klassifizierung in Hochschultypen dient also nicht nur der Profilbildung – diese ergäbe sich auch durch die Marktkräfte – sondern auch der Abschottung vor Konkurrenz.

Im Lichte tatsächlicher Forschungsarbeit mutet die gesetzlich verankerte Festschreibung einer grundlagenorientierten Forschung der universitären Hochschulen einerseits und einer angewandten Forschung der Fachhochschulen andererseits, ohnehin reichlich künstlich an – „zumal  sich zeigen lässt, dass viele Meilensteine der Grundlagenforschung erst durch Erkenntnisse der angewandten Forschung möglich wurden und dass umgekehrt die abstrakte Grundlagenforschung von grosser praktischer Bedeutung ist.“ (G. Folkers, NZZ, 11.09.13)

Denkt man die künstliche Zweiteilung zu Ende, kommt man zu überraschenden Einsichten. Medizin gehört an die Fachhochschule!

Zwar bemüht sich die Medizin um naturwissenschaftliche Grundlagen, aber sie ist durch und durch praxisorientiert. Es gibt wohl kein besseres Beispiel für angewandte Forschung und Entwicklung, als klinische medizinische Studien. Und in ihrer diagnostischen und kurativen Anwendung fusst die Medizin häufig stark auf Heuristiken und Erfahrungswissen, also auf Praxiswissen, das nicht im Elfenbeinturm entstanden ist.

Ähnliches lässt sich über die Jurisprudenz sagen, die sich mit wenigen Ausnahmen durchwegs mit praktischen Fragen der Rechtssetzung und Rechtsanwendung befasst.

Und für viele weitere Gebiete lässt sich fragen, ob die Universitäten tatsächlich nur unangewandte Forschung betreiben bzw. betreiben sollen, etwa in der Architektur oder den Ingenieurwissenschaften.

Als Fazit ergibt sich, dass es eigentlich nur Hochschulen gibt. Gute und weniger gute. Darüber soll der Markt entscheiden, weder die Bürokratie, noch die Politik.

Kommentare

Sehr schöner Artikel, danke!

Universität = Grundlagenforschung = nutzlose Forschung = staatsfinanzierte Forschung?
FH = Angewandte Forschung = Auftragsforschung, bezahlte Forschung, käufliche Forschung?

Kleine Anmerkung: “am Markt bewähren”, bzw. “der Markt spielt”. Das dürfte dann aber doch ein recht kompliziertes Geflecht von “Märkten” sein, und vielleicht ein Beispiel dafür, dass es eben nicht automatisch gut wird, wenn es einen Markt gibt. Warum sollen Rankings von Hochschulen besser funktionieren als Ratings von Subprime-Anleihen?

Wir spüren ja im (akademischen?) Alltag, wie solche “beauty contests” Ressourcen von der Neugier des Lernens und Lehrens in manchmal recht amüsante Nebengleise ablenken.

Lieber Horst,
wie so oft, hast Du da einen wunden Punkt getroffen. Märkte mit stark asymmetrischer Information, auf denen es sich Akteure zum Ziel gemacht haben, private Informationen öffentlich zu machen, funktionieren nicht immer sonderlich gut.
Zum Glück gibt es im Bildungsmakrt neben den Ratings und Rankings — die immer etwas arbiträres an sich haben — noch die Akkreditierungen, welche ergänzende Informationen liefern.
Natürlich sind selbst fachlich spezialisierte Akkreditierungsagenturen kein Allheilmittel im Dschungel der Bildungsangebote. Immerhin sind seriöse Agenturen im deutschsprachigen Raum ihrerseits beim Akkreditierungsrat.de akkreditiert.

Die grundlegende Frage, wer die Kontrolleure kontrolliert, beilbt freilich bestehen — geau wie bei den Ratings von Finanzinstrumenten…

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