30.07.2012

Ein Schild der SNB

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat im September 2011 dieses Schild aufgestellt. Sie hat damit faktisch eine Kursuntergrenze von CHF 1.20 gegenüber dem Euro etabliert. Seither wird darüber debattiert, was die Kosten dieser Massnahme sind und ob die SNB die Kursgrenze halten könne. — Anfangs Juni hatte Ex-UBS-Chef Oswald Grübel erklärt, dass der Mindestkurs «langfristig nicht durchsetzbar» sei. Und soeben hat eine Umfrage ergeben, dass viele Finanzchefs von Schweizer Unternehmen offenbar glauben, dass die SNB die Kursgrenze «nicht wird halten können». Was ist davon zu halten?

Von dieser Fragestellung sind mehrere Ebenen betroffen. Auf der rein technischen Ebene ist die Durchsetzung des Mindestkurses weitgehend unproblematisch. Die SNB muss lediglich ihr Schild in der Auslage belassen. Damit “interveniert” die SNB automatisch, indem sie allen Geschäftsbanken mit welchen sie Beziehungen unterhält, Schweizer Franken zum festgelegten Kurs gegen Euro verkauft. Weil die SNB unbegrenzt Franken herausgeben kann, ergibt sich im Unterschied zur Situation wo die Zentralbank die eigene Währung durch den Verkauf von Währungsreserven zu stützen versucht, keine grundsätzliche Beschränkung des Instruments.

Differenzierter zu beurteilen ist die ökonomische Ebene. Je turbulenter und unsicherer sich die wirtschaftliche Lage darstellt, umso stärker sind Anleger geneigt, Liquidität in relativ sicheren Schweizer Franken zu halten. Hierin liegt der Grund für die relative Aufwertung unserer Währung vor dem September 2011. Und genau deshalb wurde der Mindestkurs zum Euro eingeführt.

Weil die Anleger aufgrund er anhaltenden Unsicherheiten im Euroraum gerne vom Angebot der SNB Gebrauch machten, haben sich die Eurobestände der SNB in den letzten 3 Jahren massgeblich erhöht und betragen inzwischen über 50% der Währungsreserven. Somit ist die Diversifikation dieser Reserven wahrscheinlich nicht mehr optimal und es bestehen Marktrisiken; vgl. ausführlicher SNB.

Zudem trägt das höhere Angebot an Schweizer Franken langfristig ein Inflationspotential in sich. Aufgrund der schwachen Wirtschaftsentwicklung und der eher rückläufigen Preise bestand bislang keine Inflationsgefahr, doch das wird sich eines Tages ändern. Dann stellt die Abschöpfung der Überschussliquidität eine grosse Herausforderung dar, insbesondere was das Timing betrifft; vgl. ausführlicher hier.

Ein weiteres Risiko stellt die Bildung einer Immobilienblase, ausgelöst durch die tiefen Zinsen im Inland dar. Dem versucht die SNB schon seit einiger Zeit durch Überzeugungsarbeit bei den Banken entgegen zu wirken; vgl. Blogeintrag.

Sollte sich die Lage auf breiter Front zuspitzen ist nicht auszuschliessen, dass makroprudenzielle Massnahmen ergriffen werden, etwa in Form strengerer Vergabevorschriften für Hypotheken (Belehnungsgrenzen) oder strikterer Kapitalanforderungen für die Banken.

Diesen Risiken ist der unzweifelhafte Nutzen des SNB-Schilds gegenüber zu stellen. Dieser besteht in der Schadensminderung. Niemand vermag genau zu beziffern, welche Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft ein Wechselkurs von 1:1 zum Euro hätte. Doch man darf davon ausgehen, dass ein plötzlicher Anstieg des Frankens auf Parität zum Euro vor allem kleine und mittlere Unternehmen des Exportsektors sowie die ganze Tourismusbranche vor ganz massive Probleme stellen würde. Dieses Risiko will niemand eingehen. Und deshalb müssen wir die geschilderten Nebenwirkungen des Schilds tragen.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass ein höherer Frankenkurs langfristig undenkbar wäre. Eines Tages könnte die Parität zum Euro durchaus ein Gleichgewichtskurs sein. Dies allerdings erst, nachdem unsere Wirtschaft mehrere Jahre Zeit zur Anpassung hatte und der Aufwertungsdruck durch stabile Verhältnisse in der Eurozone vorüber ist.

Für die Frage, ob die Nationalbank den Mindestkurs wird durchhalten können, ist schliesslich die politische Ebene am heikelsten. Zwar ist der SNB gesetzliche Unabhängigkeit von politischen Einflüssen garantiert, doch haben die letzten 12 Monate gezeigt, dass eine Unterstützung der Geldpolitik durch die Regierung und die politischen Parteien dennoch wichtig ist.

Politische Zweifel an der Notenbankpolitik, zumal wenn sie medial überhöht werden, nähren nämlich Spekulationen bezüglich einer Aufgabe des Mindestkurses. Erst wenn die Marktteilnehmer glauben, dass die SNB unter politischem Druck steht und deshalb einen Kurswechsel einleiten wird (obwohl sie im Prinzip unabhängig agiert), kann ein massiver zusätzlicher Marktdruck entstehen. Anleger kaufen dann Schweizer Franken für 0.833 Euro in der Hoffnung, dass dieser in Zukunft beispielsweise 1 Euro wert ist.

Dieser zusätzliche Druck ist unbedingt zu vermeiden, indem die Politik uneingeschränkt hinter der SNB-Politik steht. Politiker und Medien sollten sich mit Mutmassungen ebenso zurückhalten wie Finanzchefs. Denn selbsterfüllende Prophezeiungen können sehr teuer werden.

Und für Oswald Grübel gilt wohl das, was Bundeskanzlerin Merkel im Mai 2010 über Joseph Ackermann gesagt hat: Er soll einfach mal den Mund halten.

Kommentare

Heute hat die SNB die Zusammensetzung ihrer Währungsreserven per Ende des 2. Quartals 2012 bekannt gegeben (Vorquartal in Klammern):

  • Euro 60% (51%)
  • US-Dollar 22% (28%)
  • Yen 8% (9%)
  • Britisches Pfund 3% (5%)
  • Kanadischer Dollar 3% (4%)
  • Quelle SNB

    [...] konnten dadurch massgeblich gemindert werden. Eine Einschätzung der aktuellen Situation habe ich kürzlich hier vorgenommen. Deshalb nur ein Wort zu den spekulativen Attacken, welche im Jahr 1 ausgeblieben [...]

    Hinterlasse einen Kommentar

    Dein Kommentar:

    Kategorien