Gestern hat mich das Schweizer Stimmvolk gleich zwei mal positiv überrascht. Zum einen wurde die 6-Wochen-Ferien-Initiative deutlich an der Urne verworfen — was zeigt, dass nicht jeder Populismus mehrheitsfähig ist. Zum anderen wurde die Zweitwohnungsinitiative hauchdünn angenommen. — Heute überrascht mich die Credit Suisse mit einer Studie über den schweizweiten Anteil von “Zweitwohnungen”. Die Banker haben da etwas berechnet, was man eigentlich noch gar nicht berechnen kann…
Bislang gibt es nämlich noch keine eindeutige Definition des Begriffs der “Zweitwohnung”. Trotzdem hat die CS eine Schweizerkarte eingefärbt die zeigt, dass in praktisch allen touristischen Ortschaften in Graubünden, im Berner Oberland und im Wallis aufgrund der nun festgelegten Höchstgrenze von 20% keine neuen Zweitwohnungen mehr erstellt werden können. Welche Wohnungen in diese Kategorie fallen, wird dereinst erst das Parlament bestimmen müssen…
Nichtsdestotrotz bin ich froh über diesen Entscheid. Der Bau von Wohnungen, die nur wenige Wochen im Jahr belegt sind, bringt zwar kurzfristige Einnahmen für die Bauindustrie, belastet die Gemeinden aber auch mit Infrastrukturkosten und das Landschaftsbild mit Bauten.
Ökonomisch gesehen handelt es sich bei letzterem um negative Externalitäten, die von der Allgemeinheit in Form einer Verminderung des ästethetischen Wertes, des Erholungswertes etc. getragen werden. In einem Engadin mit zubetoniertem Talboden will schliesslich niemand mehr seine Ferien verbringen.
Im Prinzip bestünde die ökonomische Lösung dieses Problems in einer Internalisierungssteuer, welche der Wertminderung durch die Bauten entspricht. In der Praxis lässt sich eine solche Steuer leider ebenso schwer berechnen, wie politisch auf lokaler Ebene durchsetzen. Oft genug wird die Dorfpolitik von den Interessen der ortsansässigen Baulobby dominiert.
Das Wehklagen, welches heute aus den Gebirgskantonen zu vernehmen war (“wir haben keine Perspektiven und Entwicklungschancen mehr”) ist kurzfristig nachvollziehbar, aber langfristig nicht nachhaltig. Wenn Tourismusgebiete keine andere Entwicklungsstrategie haben, als die Überbauung weiterer Landstriche, zehren sie ohnehin von ihrer eigenen ökonomischen Basis, nämlich der intakten Natur.
Andernorts wurde dies bereits früher erkannt. So wurde etwa in Tirol der Zweitwohnungsanteil schon vor Jahren auf 8% begrenzt. Die Touristen wissen das zu schätzen.
Interessant wird es sein, die Preisentwicklung zu beobachten. Aufgrund der Beschränkung des Angebots werden die Preise für bestehende Zweit- bzw. Ferienwohnungen tendenziell steigen. Ohne eine zusätzliche Abgabe, wie sie etwa in Davos zur Debatte steht, werden diese kaum in Erstwohnungen oder Parahotellerie umgewandelt. Ihre heutigen Besitzer dürfen sich freuen.
Die “arbeitslose” Bauindustrie wird sich wohl eher den Erstwohnungen zuwenden, sodass deren Preise tendenziell sinken und sie somit für Einheimische wieder erschwinglicher werden. Aufgrund dieser Marktspaltung wird der klaren Abgrenzung zwischen Erst- und Zweitwohnungen grosse Bedeutung zukommen.
Zu reden geben werden künftig vielleicht auch die Zweitwohnungen in den Städten, welche bislang kaum zur Debatte standen und schwer zu erfassen sind. Wer kontolliert schon, welche Wohnungen in Zürich während welcher Zeit im Jahr belegt sind? Die Zweitwohnungspolizei? Hoffentlich nicht.
Abschliessend sei angefügt, dass es auch sinnvolle Zweitwohnungen im Berggebiet gibt. Ich denke da insbesondere an selbst gebaute Iglu-Dörfer, die gemäss 10vor10 voll im Trend sind. Zwar sind auch diese nur wenige Wochen im Jahr belegt und verfügen über viele kalte Betten, doch verschwinden sie im Frühling von selbst…