27.02.2012

Wirtschaftspolitischer Irrläufer von Coop

Wie schafft es der Detailhandelsriese Coop seine eigene Kundschaft in Rage zu versetzen und in kürzester Zeit über 400 negative Online-Kommentare zu kassieren?

Gemäss Tagesanzeiger fordert Joos Sutter, Chef des Basler Grossverteilers, eine Senkung der Freigrenze, innerhalb der Waren zoll- und steuerfrei eingeführt werden dürfen. Noch in der Frühlingssession will der Basler FDP-Nationalrat Peter Malama einen Vorstoss zur Senkung der Freigrenze von 300 Fr. auf 100 Fr. pro Person und Tag einreichen.

Offenbar liegen bei der Coop-Spitze die Nerven blank. Anders ist es kaum zu erklären, dass sich der Konzern nicht mehr dem Wettbewerb stellen will. Statt härter mit den Lieferanten zu verhandeln, unnachgiebige Hersteller konsequent auszulisten (wie es Migros etwa mit L’Oréal tat) und die tieferen Preise an die Konsumenten weiter zu geben, ruft Coop verzweifelt nach dem Staat. Das ist eine Kurzschlusshandlung der Chefetage.

Seit vielen Jahren beobachte ich, wie Firmenchefs in Sonntagsreden die Marktwirtschaft und den Wettbewerb loben – um dann am Montag alles zu tun, um ihn zu beseitigen. In der Landwirtschaft und im Tourismus ist dies gang und gäbe. Doch es scheint mir das erste mal, dass ein Grossverteiler in dieser Offenheit vor dem Wettbewerb in die Arme des Staats zu fliehen versucht. — Dabei haben die Konsumenten nur das getan, was ich bereits im Mai 2o11 in diesem Blog empfohlen hatte. Sie haben mit den Füssen bzw. dem Auto abgestimmt und so den Wettbewerbsdruck erhöht.

Dem Coop-Chef scheint dabei nicht bewusst zu sein, dass er mit dieser verqueren Idee den Gegnern freier Märkte in die Hände spielt. Denn es ist klar, dass die staatsinterventionistischen Kräfte und jene, die den „Kapitalismus abschaffen“ wollen, jetzt ein schönes Beispiel dafür haben, wie heuchlerisch manche Manager vorgehen können, wenn es um die eigenen Marktanteile geht. Das ist die perfekte Munition, wenn es beim nächsten mal um die Frage staatlicher Interventionen in den Markt geht.

Auch auf den Basler FDP-Mann Peter Malama wirft die Sache kein gutes Licht. Schon früher ist er durch wenig liberale Vorstösse aufgefallen.

Im April 2011 verlangte er die Schaffung einer obligatorischen Versicherung zur Deckung von Erdbebenschäden in der Schweiz und im September wollte er in einer Motion, dass künftig auch Hotelleriebetriebe in Städten durch die Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit mit vergünstigten Darlehen unterstützt werden können. Mehr Staat, weniger Markt.

Aufgrund der heftigen Reaktionen wird Malama seinen Vorstoss wohl nicht einreichen. Dieser wäre auch etwas gar inkonsequent. Denn im letzten Herbst hatte sich der selbe Malama für eine Erhöhung der Zollfreikontingente und der Zollkontingente für Lebensmittel eingesetzt. Dies hätte der inländischen Gastronomie und Hotellerie erlauben sollen, günstiger im Ausland einzukaufen. Das ist ironischer weise genau das, was der anvisierte Vorstoss den Konsumenten im Auftrag von Coop jetzt verbieten soll.

Schade ist in diesem Zusammenhang, dass wir in der Schweiz nicht wissen, mit welchen Spendengeldern unsere Parlamentarier ihren Wahlkampf finanzieren. Coop und Malama sind zufällig beide in Basel beheimatet. [Immerhin ist bekannt, dass Malama Vizepräsident des Verbands Basler Detailhandel ist. Drei der sechs Vorstandsmitglieder stammen von Coop, Migros und Manor. Auch diese würden von höheren Schranken für private Importe profitieren.]

Kommentare

In die gleiche Richtung geht der Vorstoss von FDP-NR Otto Ineichen (Schaden-Otti), der auf ein faktisches Verbot von Aldi und Lidl in der Schweiz (oder wenigstens im Kt. ZH) hinzielt.

Vielen Dank für den Hinweis. Die Interpellation von NR-Ineichen erfolgte im April 2o11 und richtet sich direkt gegen die Hard-Discounter bzw. deren Baustil — also direkt gegen die Konkurrenten von Ineichens Firma Otto’s…

Das Thema wurde übrigens gerade im Zürcher Kantonsrat kontrovers behandelt (vgl. Tagesanzeiger).

Natürlich hat man bei diesem Vorstoss den Eindruck, dass hier unliebsame Konkurrenz über den Umweg des Baurechts ausgeschaltet werden soll.

Interessanter scheint mir aber die grundsätzliche Frage, in wie fern sich Raumplanung und Bauvorschriften mit einer liberalen Wirtschaftspolitik vertragen. Sollte man es nicht einfach dem Markt überlassen, wo und wie gebaut wird? Wie lässt sich ein staatlicher Eingriff in die Verwendung privaten Eigentums allfällig rechtfertigen?

Viele Manager begreifen nicht, dass Bürger/Konsumenten nicht dazu da sind, das Überleben ihres Unternehmens zu sichern. Unternehmen müssen die Bedürfnisse der Konsumenten befriedigen. Das ist ihr Daseinszweck. Das müssen sie lernen. Natürlich können sie schnell mit der Fahne „Arbeitsplätze“ wehen, um die Politiker zu gewinnen und die Bürger zu verängstigten.

Dabei wäre es wichtig, dass die Detailhändler und andere Branchen sich in der Schweiz dem Wettbewerb stellen. Im Zuge der Frankenstärke heisst es bereits länger arbeiten für denselben Lohn. Diverse Reformen heben die Produktivität anderer Staaten. Auf Arbeiter und Angestellte kommt also eine eher schwierige Zeit zu, was die Lohnentwicklung angeht. Deshalb würden sinkende Preise den Wohlstand stützen.

Wenn die Detailhändler und andere Branchen im Inland mehr Geld für die gleiche oder ähnliche Waren wollen, dann müssen sie die Konsumenten davon überzeugen, mehr zu zahlen. Höhere Preise rechtfertigen sie mit höherer Qualität. Also soll der Konsument entscheiden, ob die Qualität mehr wert ist. Sie können auch den Patriotismus einbringen. Sie können sagen, dass der Konsument Arbeitsplätze sichert, wenn er bei ihnen einkauft. Wenn jemand dafür mehr Geld bezahlen will, warum nicht.

Arbeitsplätze in abgeschotteten und/oder subventionierten Branchen sind üblicherweise unterdurchschnittlich produktiv und „wohlstandsfördernd“. Prosperität entsteht nur, wenn ein Unternehmen/Branche die Bedürfnisse der Konsumenten trifft. Die Menschen kaufen neben dem harten Wert auch Emotionen oder Prestige mit. Für diese Dinge zahlen sie mehr. Apple oder Swatch sind diesbezüglich nur zwei Namen.

Es wäre tatsächlich interessant zu wissen, wie die Geldströme bei den Parteien funktionieren. Die Parteien wehren sich dagegen und argumentieren mit der Privatsphäre der Spender. Dabei spielt die Finanzierung eine wichtige Rolle. „Wer zahlt befiehlt!“ Es entsteht Abhängigkeit. In einer Demokratie geben Politiker vor, die Interessen der Bürger zu vertreten. Wenn Ihre Kampagnen jedoch von Interessenvertretern abhängen, steht das infrage. Das ist in den meisten Demokratien so. Aber die Menschen sollten sehen, wen sie wählen.

Wer sich darüber aufregt, dass Menschen im Ausland einkaufen gehen, ob sie das durch einen Abstecher machen, oder ob sie im Internet kaufen, sollte zum Beispiel die Exportquote unserer Pharmakonzerne ansehen. Auch wir verdienen daran, dass andere unsere Produkte kaufen. Hoffen wir, dass wir uns durch Wettbewerb bewähren dürfen. Denn ausser Preisleistung können wir bei Exporten nichts bieten.

Unternehmertum bedeutet sich dem Wettbewerb zu stellen. Das gute Unternehmer nach Jahren des Erfolges Protektionismus propagieren, ist leider nichts ungewöhnlich. Sie stiegen mit ihrem Konzept auf, nun jagen die anderen sie. Vielen fehlt der Wille/Kraft, um die alte Kraft nochmals aufzubringen. Liberale Kräfte müssen dem entgegen wirken, denn sonst bleiben die Reichen reich und die Armen arm. Wir besitzen hohen Wohlstand und sozialen Frieden, weil es Aufstiegsmöglichkeiten gibt und die Wirtschaft sich wandelte. Man muss nur die Entwicklung der Industrie betrachten. Vieles was uns früher besonders war und Wohlstand sicherte, ist heute eine „Massenware“.

Frage statt Vorstoss
Am 28.2.12 hat Peter Malama, statt einer Interpellation oder Motion nur eine kleine Frage während der Fragestunde des Bundesrats gewagt. Damit wäre der Mini-Versuchsballon erfolgreich abgesch(l)ossen:
Frage Malama:

Wie beurteilt der Bundesrat die Herabsetzung der “Wertfreigrenze” von heute 300 Franken auf beispielsweise 100 Franken in Bezug auf den Erhalt von Arbeits- und Ausbildungsplätzen im Inland?

Antwort der Bundespräsidentin:

Der Bundesrat ist sich bewusst, dass aufgrund der Frankenstärke der Einkaufstourismus zugenommen hat und insbesondere in den Grenzregionen zu äusserst schwierigen Rahmenbedingungen führt. Die Wertfreigrenze gilt nur für den Reiseverkehr. Eine Senkung der Freigrenze hätte zur Folge, dass auf Einfuhren, die den Wert von 100 Franken pro Person übersteigen, die Mehrwertsteuer und, je nach Produkt, Zollabgaben zu entrichten wären. Bei zollfreien Produkten bedeutete dies gemäss dem Mehrwertsteuersatz eine Verteuerung von 8 Prozent. Aufgrund der gegenwärtigen Frankenstärke und des hohen Preisgefälles gegenüber dem Ausland würde dies den Einkaufstourismus zwar unattraktiver gestalten, doch würden nach wie vor genügend Anreize bestehen, im Ausland einzukaufen.
Der Bundesrat ist daher der Auffassung, dass eine Herabsetzung der Wertfreigrenze im Reiseverkehr längerfristig keinen erheblichen Einfluss auf den Erhalt von Arbeits- und Ausbildungsplätzen in der Schweiz hätte.

Quelle

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