23.11.2011

Finger weg von Eurobonds

Wenn sich ein paar Kranke gemeinsam ins Bett legen, wird davon keiner gesund. Und selbst wenn man einige Gesunde darunter mischt, hilf das kaum. So ist es auch mit den Eurobonds. Die wurden heute vom EU-Kommissionspräsidenten Barroso wieder einmal aufgewärmt hat; vgl. NZZ. Die Strukturschwächen und Konstruktionsfehler der EU und der Euro-Zone lassen sich damit nicht beheben. Das Leiden wird höchstens verlängert, Reformen werden verzögert, Gesunde werden angesteckt. – Dennoch besteht ein Fünkchen Hoffnung.

Das neue Grünbuch der EU-Kommission enthält drei Varianten von “Stabilitätsbonds”, welche künftig für das Schuldenmachen im Euroland Verwendung finden könnten. Ob Hard-, Medium- oder Soft-Bonds (vgl. unten*), eine Mischrechnung verteuert die Kreditaufnahme für gute Schuldner und verbilligt sie für schlechte Schuldner. Diese Quersubventionierung verschleiert die Risiken, bedeutet eine „Vergemeinschaftung der Schulden“ (gemäss EU-Slang) und führt direkt ins hinlänglich bekannte Moral-Hazard-Problem**. Ökonomisch gesehen: Finger weg von diesem Verschuldungsvehikel.

Positiv am „Barroso-Paket“ ist aber eines: Die Kommission fordert erstmals mit Nachdruck eine verstärke Aufsicht der EU über die nationalen Haushaltspläne der Mitgliedsländer. Ökonomen betonen schon seit 20 Jahren, dass im Rahmen einer Gemeinschaftswährung auch die Fiskalpolitiken koordiniert werden müssen, was insbesondere bedeutet, dass die Verschuldung einzelner Länder nicht überborden darf. Die Maastricht-Kriterien sind eine arbiträre, aber durchaus taugliche Richtschnur, über die momentan allerdings fast alle Länder schlagen.

Die Forderung, dass die Haushalte vorgelegt, von der EU begutachtet und allenfalls mit Vorbehalten belegt werden, geht insbesondere hinsichtlich der Euro-Länder in die richtige Richtung. Denn diese können ja ihre Währungen bei mangelnder Produktivität und fehlender Haushaltsdisziplin nicht mehr abwerten. Allerdings darf man Zweifel hegen, dass die nationalen Parlamente dazu bereit sind, Haushaltskompetenzen massgeblich an Brüssel abzutreten.

Zudem bleibt vorerst unklar, welche Sanktionen ergriffen werden könnten, falls sich ein Land nicht an die Regeln hält und etwa übermässige Defizite beschliesst. Schon bei den Maastricht-Kriterien hat deren Durchsetzung überhaupt nicht geklappt. Warum sollte es nun besser werden?

Die Hoffnung besteht nun darin, dass am EU-Gipfel vom 9. Dezember nicht nur Regeln, sondern auch glaubhafte und griffige Sanktionen für Schuldensünder festgelegt werden, wie dies etwa der deutsche Finanzminister Schäuble fordert. Für eine längerfristige Gesundung der europäischen Staatsfinanzen ist dies ohnehin dringend nötig – mit oder (hoffentlich) ohne Eurobonds.

*EU-Kommission präsentiert drei Varianten für «Stabilitätsbonds»

(sda/apa/ddp) Die EU-Kommission hält die Einführung von Eurobonds, die sie nun «Stabilitätsbonds» nennt, für einen Ausweg aus der Schuldenkrise. In einer 40-seitigen Diskussionsgrundlage werden drei Modelle aufgeführt.

Derzeit zahlen die Euroländer unterschiedlich hohe Zinsraten für ihre Staatsanleihen. Wegen der Schuldenkrise unter Druck stehende Länder können sich nur unter hohen Zinsaufschlägen neues Geld an den Finanzmärkten besorgen.

Im Grünbuch der Kommission werden die Gesamtschulden der Euro-Zone für Ende 2010 mit 7,822 Bio. Euro angegeben. Die höchste Staatsverschuldung weist Deutschland mit 2,062 Bio. Euro auf, die niedrigste Estland mit nur 1 Mrd. Euro.

Eurobonds könnten laut EU-Kommission dazu beitragen, dass für Deutschland mit den niedrigsten Zinssätzen bei einer Gemeinschaftsanleihe eine Verschlechterung zwischen 0,5 und 2,0 Prozent eintreten könnte. Länder mit einem höheren Zinssatz könnten dagegen mit niedrigeren Zinsen rechnen. Einen konkreten Vorschlag will die Kommission Anfang 2012 vorlegen.

-  Die erste Variante im Grünbuch sieht eine vollständige Umstellung aller nationalen Staatsanleihen auf Eurobonds mit einer gemeinschaftlichen Haftung der 17 Länder der Währungsunion vor. Das erfordert eine Vertragsänderung. Die beteiligten Länder müssten hier über ihren eigenen Anteil hinaus für den Fall, dass einzelne Mitgliedsstaaten ihre Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen können, auch für deren Anteile garantieren. In ihrem Bericht stuft die Kommission das Risiko dieser Variante als «hoch» ein. Die zeitliche Umsetzung schätzt sie als «lang» ein, die Auswirkungen auf die Finanzmarktstabilität als «hoch».

-  In der zweiten Variante ist ein teilweiser Ersatz nationaler Anleihen durch Eurobonds vorgesehen. Das Risiko wird als «mittel» angeführt, die zeitliche Umsetzung als «mittel bis lang». Wie beim ersten Vorschlag müssten die beteiligten Länder im Notfall erneut für die Anteile anderer Staaten gerade stehen. Das würde eine Vertragsänderung nötig machen.

-  Die dritte Variante hätte keine Vertragsänderung nötig. Die Mitgliedsstaaten müssten im Falle eines Zahlungsausfalles eines Mitgliedlandes nicht für dessen Verpflichtungen geradestehen. In kürzester Zeit implementierbar, würden begrenzt gemeinschaftliche Schuldscheine gewertet, wobei jedes Euro-Land anteilig – also nicht gemeinschaftlich – haftet. Die Auswirkungen auf die Finanzmarktstabilität werden als «niedrig» eingestuft.

**Moral-Hazard bedeutet hier, dass die gemeinschaftliche Verschuldung wie eine Versicherung, v.a. für die schlechten Schuldner wirkt. Deren Anreize für eine solide Haushaltspolitik werden durch die Versicherungswirkung negativ beeinflusst. Sie können sich zu billig verschulden und die Funktion der Finanzmärkte als “Provider of Last Discipline” wird geschwächt. — Diese Problematik wird zwar im Grünbuch (S. 7f.) erkannt, aber nicht gelöst…

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