Das Verhalten mancher Banker gereicht immer mehr zur Schande für die Schweiz. UBS und CS haben durch ein Geschäftsgebaren das im rechtlichen Graubereich liegt oder teilweise rundweg illegal ist, der Reputation unseres Landes Schaden zugefügt. Unsere Vertrauenswürdigkeit und der gute Ruf wurden langjährig und systematisch missbraucht, um gewinnbringende Geschäfte zu tätigen. Zwar war daran vermutlich nur ein kleiner Teil der Belegschaft beteiligt, doch sind die internen Kontrollen zu lasch oder man hat auf der Führungsetage weggesehen. — Allzu lange haben auch Öffentlichkeit und Politik beide Augen zugedrückt. Schliesslich waren die Banken gute Steuerzahler, wichtige Arbeitgeber und nicht zuletzt gute Lobbyisten.
Sündenregister
Das Sündenregister einiger Banken ist lang. So haben Mitarbeiter der UBS ausländischen Kunden während vielen Jahren systematisch Beihilfe zum Steuerbetrug geleistet. Dies hat UBS-Präsident Villiger bereits im Sommer 2009 eingestanden. Bei der Credit Suisse dürften die Dinge leider nicht viel besser liegen. Denn auch sie ist nun in die Fänge der US-Steuerbehörde (IRS) geraten.
Schamlosigkeit
Geradezu unverfroren ist zudem die Reaktion einzelner Banker auf den Druck aus den USA. «Es hat mich schockiert, dass offenbar frühere UBS-Mitarbeiter mitsamt ihren Kunden zu anderen Banken wechselten, um dort das gleiche Geschäft schamlos weiterzubetreiben», sagt Finanzministerin Widmer-Schlumpf diese Woche in der NZZ.
Bei so viel Schamlosigkeit fehlen einem fast die Worte. Der Schaden, welcher hier für das Ansehen unseres Landes und den Finanzplatz entsteht, scheint den Tätern und ihren Vorgesetzten egal zu sein.
Rationales Verhalten
Angesichts der hohen persönlichen Gewinne für die Banker sowie des bislang relativ geringen Risikos des Erwischtwerdens, ist dieses Verhalten — ökonomisch gesehen — vermutlich sogar individuell rational. Aus Sicht der betroffenen Banken und des Finanzplatzes entstehen massive negative Externalitäten. Durch falsche Anreizsysteme und fehlende Kontrollen haben sich die Banken aber auch selbst schuldig gemacht.
Kriminelle Händler
Dass die internen Kontrollmechanismen in manchen Bereichen auch heute noch mangelhaft sind, zeigt der aktuelle Fall eines UBS-Händlers, der durch nicht autorisierte Geschäfte einen Verlust von sagenhaften 2 Mrd. US$ verursacht hat. Gemäss UBS handelt es sich um einen «Händler mit beträchtlicher krimineller Energie» ; vgl. NZZ.
Man erinnert sich an die Fälle von Nick Leeson, der die Barings Bank 1995 zum Einsturz brachte sowie Jérôme Kerviel welcher bei der Société Générale im Jahre 2008 ca. 5 Mrd. Euro verspekulierte.
Was wir nie erfahren…
Alle diese Fälle wurden aufgedeckt, weil enorme Verluste durch das Eingehen hoher Risiken entstanden sind.
Doch was wäre geschehen, wenn sich die Risiken ausgezahlt hätten und hohe Gewinne resultierten? Hätte man die Händler dann wegen des illegalen Vorgehens gerügt? Wäre ein Verfahren eingeleitet worden? Hätte die Öffentlichkeit je davon erfahren?*
Vermutlich nicht. So entstand in der Bankenwelt ein Lernprozess, der in ein simples Motto mündet: Mach was Du willst, aber lass Dich nicht erwischen! Wenn Du Verluste machst, gehe noch höhere Risiken ein, um die Verluste zu decken. — Dieses Verhalten kennen wir aus dem Casino.**
Hieraus folgt letztlich auch, dass wir wohl nie erfahren werden, welcher Anteil der ausgewiesenen Bankgewinne aus illegalen Aktivitäten — sei es beim Handel oder bei der Verwaltung von Kundengeldern — stammt. Denn auch für die Banken gilt: Nur wer sich erwischen lässt, wird bestraft.
*Nachtrag vom 19.9.11: Bei allem, was inzwischen über den neuesten UBS-Fall geschrieben wurde ist interessant, dass sich kaum ein Kommentator die Frage gestellt hat, warum illegale Gewinne nicht auffliegen. Immerhin ist diese Ungereimtheit der Financial Times aufgefallen: «Incidentally, no big investment bank has ever exposed a rogue trader that made it big profits. Funny, that.»
(rogue = aggressiver Einzelgänger, zoologisch)
**Nachtrag vom 20.9.11: Heute scheint sich mein Verdacht zu erhärten. Die Investmentbanker der UBS haben das falsche gelernt. Sie haben das Casino-Verhalten verinnerlicht. Gemäss Guardian hat nämlich der Chef des UBS-Investmentbankings, Carsten Kengeter, seine Belegschaft dazu aufgerufen, den Verlust von 2.3 Mrd US$ wieder wett zu machen.
Wie sollte das denn möglich sein? Extragewinne in Milliardenhöhe sind nur im Rahmen noch höherer Risiken erzielbar. Ruft Kengeter seine Mitarbeiter hier tatsächlich auf, noch härter und riskanter zu zocken? — Falls es sich nicht um eine Zeitungsente handelt, hat das UBS-Investmentbanking damit sein eigenes Grab geschaufelt…
Nachtrag vom 18.11.2011: Offenbar war alles noch schlimmer, wie die NZZ heute berichtet
Die UBS erhielt im Fall dieser unerlaubten Handelsgeschäfte 2009 wegen «System- und Kontrollfehlern» von der FSA eine Busse über 8 Mrd. £, die sie bezahlte. In der damaligen Medienmitteilung kommentierte die Behörde, es habe bei der Grossbank System- und Kontrollfehler gegeben, weshalb Mitarbeiter unerlaubte Transaktionen mit Kundengeldern in mindestens 39 Fällen ausführen konnten. Die UBS-Mitarbeiter hätten mit Devisen und Edelmetallen gehandelt und Kundenkonten Verluste zugewiesen. Gemäss einer internen UBS-Untersuchung habe es auf dem Höhepunkt des Tuns bis zu 50 solche unerlaubte Transaktionen pro Tag gegeben.