Was ich vor gut einem Monat in diesem Blog erstmals breit diskutiert habe und zwischenzeitlich immer mehr Befürworter fand, ist heute Realität geworden. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat soeben eine Untergrenze von 1.20 CHF für den Euro festgelegt. — Wie zu erwarten, ist der Kurs am Markt unverzüglich auf diesen Wert gesprungen. Was aussieht wie Magie, ist eigentlich nur ökonomische Logik.
Was lange währt, wird endlich gut. — Der vielfache Druck auf die SNB während des letzten Monats, welcher seitens der Wirtschaft, der Politik und der Ökonomen ausgeübt wurde, hat gewirkt. Endlich hat die SNB eine Kursuntergrenze für den Euro kommuniziert; vgl. Medienmitteilung unten. Der Text der Mitteilung ist gewohnt knapp und schnörkellos. Die Botschaft, dass die SNB die Untergrenze mit aller Konsequenz durchsetzen und notfalls unbeschräkt Devisen kaufen wird, ist unmissverständlich.
Die Signalisierung der Entschlossenheit ist essentiell, um das Ziel kostengünstig zu erreichen. Wenn die Marktteilnehmer von der Durchsetzung der Untergrenze überzeugt sind, muss die SNB nämlich gar nicht intervenieren, d.h. keine Devisen kaufen. Die von manchen Kommentatoren gefüchteten “Interventionskosten” sind dann parktisch null. Es kommt auf die Glaubwürdigkeit der Nationalbank an; vgl. dazu Blogeintrag.
Der unmittelbare Sprung des Eurokurses auf die Untergrenze von 1.20 CHF belegt, dass es um die Glaubwürdigkeit der SNB besser bestellt ist, als ich befürchtet habe. Dennoch ist nicht auszuschliessen, dass einige Marktteilnehmer die SNB testen wollen und weiterhin Franken kaufen. Wenn sie dies tun, wird es sie allerdings Geld kosten.
Der (kurzfristige) Erfolg des Politikwechsels der SNB beruht zum Teil darauf, dass die anvisierte Untergrenze mit 1.20 CHF relativ nahe am letzten Wechselkurs von ca. 1.10 CHF liegt. Es ist klar, dass es auch der SNB bewusst ist, dass 1.20 CHF kein langfristig nachhaltiger Kurs sein kann.
Aus Sicht der Schweizer (Export)Wirtschaft ist nämlich eher ein Kurs zwischen 1.35 CHF und 1.45 CHF zum Euro langfristig verträglich. Deshalb scheint absehbar, dass die SNB eine weitere Anhebung der Untergrenze plant, falls sich der Franken nicht weiter abschwächt.
Wenn man von vollständig rationalen Marktteilnehmern ausgehen könnte, hätte die SNB direkt eine Untergrenze von z.B. 1.40 CHF festlegen können, ohne unnötige Kosten zu verursachen. Weil diese Voraussetzung aber wohl nicht gegeben ist, war es vermutlich klug, den Weg eines sanften Einstiegs zu gehen und die Reaktionen der Marktteilnehmer vorerst einmal zu testen.
PS: Dass die SNB heute mit einer Untergrenze von 1.20 CHF exakt jenen Wert gewählt hat, den ich bereits am 2. August als Beispiel wählte, ist natürlich reiner Zufall. Dass die Idee eines Politikwechsels der SNB zuerst in diesem Blog zu lesen war, allerdings nicht…*
Medienmitteilung der SNB vom 6.9.11
Nationalbank legt Mindestkurs von 1.20 Franken pro Euro fest
Die gegenwärtig massive Überbewertung des Schweizer Frankens stellt eine akute Bedrohung für die Schweizer Wirtschaft dar und birgt das Risiko einer deflationären Entwicklung.Die Schweizerische Nationalbank strebt daher eine deutliche und dauerhafte Abschwächung des Frankens an. Sie toleriert am Devisenmarkt ab sofort keinen Euro-Franken-Kurs unter dem Mindestkurs von 1.20. Die Nationalbank wird den Mindestkurs mit aller Konsequenz durchsetzen und ist bereit, unbeschränkt Devisen zu kaufen.
Der Franken ist auch bei 1.20 pro Euro hoch bewertet und sollte sich über die Zeit weiter abschwächen. Falls die Wirtschaftsaussichten und die deflationären Risiken es erfordern, wird die Nationalbank weitere Massnahmen ergreifen.
*Gerhard Schwarz, Chef von Avenir Suisse, hat mich am 11.9.11 darauf aufmerksam gemacht, dass im Februar 11 in einem Arbeitspapier auf die Möglichkeit einer Untergrenze für den Euro hingewiesen wurde: «Wenn Unternehmen beginnen, allein wegen der Wechselkurse Produktionsstätten zu schliessen, die Produktion ins Ausland zu verlagern und die Schweiz nicht mehr als Sitz ihres Unternehmens zu wählen, müsste als Ultima Ratio das vorübergehende Festlegen einer Untergrenze für den Wechselkurs des Euro in Franken ins Auge gefasst werden.» Quelle.