21.08.2011

Erfolgreicher Druck…

…der Konsumenten auf die Detaillisten – Droht nun Deflation?

Schon im Mai 2011 hatte ich in diesem Blog dafür plädiert, dass die Schweizer Konsumenten vermehrt im Euroland einkaufen sollten, um unsere Importeure und Detaillisten dazu zu bringen, die Vorteile des starken Frankens endlich in Form tieferer Preise weiter zu geben; vgl. Blogeintrag.

Damals war ich allein auf weiter Flur. Später war auch Bundesrat Schneider dieser Meinung und erntete damit wenig Applaus. Doch die Konsumenten haben mitgespielt, fleissig im Ausland eingekauft, sodass nun die Grossverteiler Migros und Coop ihre Preise senken. — Droht uns nun eine Deflation?

Coop hat einige wichtige Marken aus seinen Regalen vorübergehend verbannt, weil die Hersteller oder Importeure anscheinend die Preise nicht senken wollten. Dies entspricht in etwa dem Vorgehen, welches Schweizer Exporteure erleben, wenn sie angesichts des starken Frankens ihrerseits keine Preisnachlässe gewähren.

Seit gestern sind bei Coop 700 Markenartikel um 10 bis 20% billiger. Nicht verwunderlich, dass Migros zum selben Zeitpunkt an den Preisen dreht. Schliesslich bilden die beiden Grossverteiler ein Duopol+ (wobei das + von Denner stammt, der allerdings zum Migros-Konzern gehört).

Doch auch die beiden Quasi-Duopolisten haben einige Monate lang satte Wechselkursgewinne eingestrichen. Die NZZ am Sonntag berichtet heute über verschiedene Beispiele, bei denen günstigere Einkaufspreise nicht weiter gegeben wurden.

Bemerkenswert ist im Interview der NZZ die Aussage von Markus Abt, Pressesprecher von Unilever Schweiz, dass die Gebühren für die Aufnahme neuer Produkte ins Sortiment eines Grossverteilers in der Schweiz deutlich höher seien, als im Ausland.

Höhere Listing-Gebühren sind ein klares Zeichen für mangelnden Wettbewerb und den Duopol(+)-Status. Obwohl, oder gerade weil, diese Gebühren so eine Art kleines schmutziges Geheimnis der Grossverteiler sind, wäre es meines Erachtens dringend angezeigt, sie im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie zu erfassen und zu vergleichen. Das könnte der Wettbewerbskommission (WEKO) wichtige Erkenntnisse liefern. Dieses Thema wurde übrigens am 5. Atelier de la Concurrance im Mai 11 in Winterthur ausführlich diskutiert.

Doch was nun wie ein Sieg der Konsumentinnen aussieht, könnte sich dereinst in ein Problem wandeln. Vorerst sind die Preise nur sehr moderat gefallen: Konsumentenpreise, minus 0.8%Pt.; Importpreise minus 1.1%Pt. im Juli 11. Sollten die Preise aber auf breiter Front einbrechen und auch die im Inland hergestellten Güter und Dienste erfassen, hätten wir eine waschechte Deflation.

Dabei besteht die Gefahr, dass Konsumenten nicht mehr konsumieren und Investoren nicht mehr investieren, weil sie auf weiter sinkende Preise hoffen. Wenn mangels Konsum und Investitionen dann auch noch die Löhne sinken und Leute entlassen werden, hätten wir eine echte Rezession. In dieser Situation würde dann erst recht nicht mehr konsumiert.

Dieser Gefahr entgegen wirken die wiederholten Liquiditätsspritzen der Nationalbank (SNB). Sie hat mehrfach — zuletzt am 17. August — interveniert, um den Franken zu schwächen; vgl. meine Blogeinträge vom 3. August und 10. August 11.

Momentan ist unklar, welcher Effekt mittel- und langfristig dominiert: Droht aufgrund der Liquiditäts- und teilweise auch Geldmengenausweitung eher eine Inflation oder müssen wir aufgrund der fallenden (Import)Preise eine Deflation befürchten?

Im Juni 11 erwartete die SNB aufgrund ihrer mittelfristigen Inflationsprognose eine durchschnittliche Teuerung von 0,9% für 2011, 1,0% für 2012 und 1,7% für 2013. Allerdings betont die SNB, dass diese Prognose mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist. — Man darf auf die nächste SNB-Prognose vom September gespannt sein…

Kommentare

Am 15. September 11 hat die SNB ihre 3-Jahres-Prognose veröffentlicht und bezüglich Inflation tatsächlich Entwarnung gegeben. Sie sieht im Gegenteil eher eine Deflationstendenz:

Auf absehbare Zeit gibt es in der Schweiz keine Inflationsrisiken. Hingegen bestehen Abwärtsrisiken für die Preisstabilität, falls sich der Franken nicht weiter abschwächen sollte.

Dabei ist zu beachten, dass die Prognose für eine unveränderte Geldpolitik gilt, d.h. für einen 3M-Libor von 0% sowie der Euro-Untergrenze von 1.20 CHF. Falls die SNB massiv intervenieren müsste, um die Grenze durchzusetzen, könnte sich die Prognose durchaus nach oben verschieben.

Ein wirklich sehr interessanter Artikel. Ich habe mich jüngst mit demselben Thema beschäftig. Es stellte sich mir die Frage ob eine hohe Inflation (Hyperinflation) oder eine Deflation schlimmer ist. Betrachtet man die Inflation, so wird man schnell feststellen, dass ein gewisses Maß für die Wirtschaft gesund ist. Steigt diese jedoch über eine gewisse Höhe (Hyperinflation) so ist sie immens bedrohlich. In einer gesunden Wirtschaft wird es immer Konjunkturzyklen geben. Je nach Zyklus herrscht entweder eine Inflation oder Deflation vor. Erst der Eingriff seitens der Staaten / Zentralbanken mithilfe der Geldpolitik führt zum ausufern beider Seiten. Die Ursache für eine hohe Inflation (Hyperinflation) wird immer in der Geldpolitik gelegt. Eine normale und gesunde Deflationsphase (Wirtschaftsabschwung) wird in der Regel nicht zugelassen. Die Zentralbanken versuchen diese Phase mit der Geldpolitik zu umgehen. Die daraus resultierende expansive Geldpolitik stellt die Grundlage für eine Hyperinflation dar. Einer sehr hohen Inflationsphase geht somit meist eine Deflationsphase voraus, auch wenn diese durch die expansive Geldpolitik oftmals nicht zu sehen ist. Ob eine jetzt Deflationsphase oder eine hohe Inflationsphase schlimmer ist, kann meiner Meinung nicht eindeutig beantwortet werden. Bei einer Hyperinflation kann ein Neustart (in der Regel ein Währungsneustart) schneller vonstattengehen. Die Auswirkungen finden hierbei in einem sehr kurzen Zeitfenster statt. Das Endergebnis einer Deflation ist meist nichts anderes … jedoch wird der Crash in der Regel nach hinten verschoben …

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