Nationalbank wagt es (noch) nicht, die Notbremse zu ziehen
Der hohe Kurs des Schweizer Frankens drückt nicht nur auf die Exportindustrie, sondern auch auf unsere Nationalbank (SNB). Gestern hatte ich hier die Chancen und Gefahren eines Wechsels in der Geldpolitik diskutiert. Heute hat die SNB reagiert, indem sie die Zinsen senkt und mehr Liquidität zur Verfügung stellt; vgl. Medienmitteilung.
Allerdings befürchte ich, dass dies eher in die Kategorie der symbolischen Politik fällt, weil die SNB nun Handlungsbereitschaft demonstrieren muss. Der langfristige Aufwertungstrend unserer Währung lässt sich dadurch vielleicht verzögern, aber kaum brechen.
Dazu wäre eine Politikwechsel hin zu einem deklarierten Wechselkursziel bzw. einer Grenze für eine bestimmte Währung nötig, welche kompromisslos durch Devisenmarktinterventionen (Käufe von z.B. Euro gegen Schweizer Franken) zu verteidigen wäre. Zum Ziehen dieser Notbremse fehlt momentan noch der Mut bzw. der wirtschaftliche Druck.
Immerhin bin ich überzeugt, dass bei der SNB ein entsprechender Plan-B inzwischen existiert, der spätestens bei Parität mit dem Euro umgesetzt wird.
Entgegen der Meinung verschiedener Kommentatoren (vgl. z.B. NZZ von heute) bin ich der Ansicht, dass ein Wechselkursziel durchaus erreichbar ist, falls die SNB dieses wirklich mit allen Mitteln verfolgt. Die Argumente finden sich hier.
Nachtrag vom 5. Aug. 2011
Im Interview mit der NZZ von heute, bezweifelt SNB-Chef Hildebrand, dass eine “feste, permanente Anbindung des Frankens an den Euro” mit dem verfassungsmässigen Auftrag der SNB kompatibel sei.
Zum Verfassungs- und Gesetzesauftrag hält die Homepage der SNB folgendens fest:
Die Bundesverfassung beauftragt die Nationalbank als unabhängige Institution, im Gesamtinteresse des Landes die Geld- und Währungspolitik zu führen (Art. 99 BV). Der Auftrag wird im Nationalbankgesetz (Art. 5 Abs. 1) präzisiert. Dieses betraut die Nationalbank mit der Aufgabe, die Preisstabilität zu gewährleisten und dabei der konjunkturellen Entwicklung Rechnung zu tragen.
Die vorübergehende Verfolgung eines Wechselkursziels bzw. einer bestimmten Grenze für den Wechselkurs (etwa gegenüber dem Euro) scheint in diesem Rahmen durchaus möglich, weil im aktuellen Umfeld dadurch die negative konjukturelle Entwicklung berücksichtigt wird und die Preisstabilität nicht unmittelbar gefährdet ist. — Beide Aspkete betont auch Hildebrand im NZZ-Interview:
«Im Moment besteht keine Inflationsgefahr. Der starke Franken hat ja eine extrem desinflationäre Wirkung und gefährdet auch die Wirtschaftslage. Wir erwarten eine sehr deutliche Abschwächung der Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte.»
Sofern diese Analyse korrekt ist, lässt sich eine vorübergehende Wechselkursgrenze durchaus mit dem Auftrag der SNB in Einklang bringen. Sobald der Druck gross genug ist (Parität mit dem Euro?) wird sich die SNB dieser Argumentation wohl anschliessen (müssen). — Dass an einem Plan B gearbeitet wird, lässt Hildebrand erahnen wenn er sagt: «…wir prüfen schon seit längerer Zeit alle möglichen Varianten. (…) Ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns jetzt nicht vorzeitig in die Karten schauen lassen, weshalb ich mich zu Details nicht äussern will.»
Etwas verwirrlich ist übrigens folgende Frage der NZZ in genanntem Interview: «Wieso hat sich die Nationalbank diesmal für eine Ausweitung der Geldmenge und nicht für erneute Devisenkäufe entschieden?» Devisenkäufe gegen Schweizerfranken erhöhen selbstverständlich ebenfalls die Geldmenge!