Wir erinnern uns: Vor genau einem Jahr fand der grosse Ärztestreik statt. Die Schweizer Hausärzte demonstrierten in einigen Städten gegen die Senkung der Labortarife. In St.Gallen kam es zu einem bunten Umzug, zu welchem viele junge Damen motiviert wurden (MPA bekamen dafür extra frei) und das ganze erinnerte etwas an Fasnacht. Die NZZ schrieb:
Die Ärzte argumentieren, dass wegen dieser Preissenkung viele Hausärzte ihre Praxis-Laboratorien nicht mehr werden kostendeckend betreiben könnten und deshalb schliessen müssten. Sie befürchten, dass dies zu einer Qualitätseinbusse bei der Patientenbetreuung führen wird. (…) Eine solche Entwicklung könnte auch zum ohnehin schon gravierenden Mangel an Hausärzten in der Schweiz beitragen.
Ich frage mich, was nun daraus geworden ist. Die Tarifsenkung wurde im Sommer 2009 ohne weiteres Aufheben umgesetzt. Von Schliessungen und Entlassungen war in der Presse nichts zu lesen. Die Patienten haben nicht aufbegehrt. War es doch nur ein Aprilscherz?
Man kann aus dieser Episode folgende Lehren ziehen.
Erstens hat die Ärzteschaft ein grosses Potenzial, um öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen. Sie setzt ihr Potenzial, zweitens, nicht immer sehr geschickt ein. Es war schon der zweite derartige ”Streik” an einem 1. April. Die angekündigten, massiven Folgen – Praxisschliessungen, Entlassungen wegen tieferer Labortarife - blieben aus. Soll die Glaubwürdigkeit erhalten bleiben, sind derartige Aktionen äusserst sparsam einzusetzen.
Drittens haben die Medien das Thema hochgejubelt. Das beherrschen sie ausgezeichnet. Die Bilder waren ja schön bunt und die Journalisten waren sicher froh, dass für einmal nicht nur Bauern oder Gewerkschafter den Bundesplatz bevölkerten. Wenn es aber darum geht, die Relevanz der Argumente zu hinterfragen oder später kritisch nachzuhaken, zeigen sich eine latente Schwäche unserer Medienschaffenden.
Viertens zeigt sich, dass die niedergelassenen Ärzte keine Unternehmer sind. Denn welcher Unternehmer würde seine eigenen Kunden bestreiken? Das fragte ich auch in einem Artikel im Tagblatt am 4.4.09. Gleichzeitig sprach ich mich für die Stärkung der Hausarztmedizin aus. Gut ausgebildete Hausärzte sind essentiell für eine qualitativ hochstehende und kostengünstige medizinische Versorgung (vgl. Blogeintrag).
Gerade heute wurde eine Initiative mit 200′000 Unterschriften eingereicht, die in diese Richtung zielt. Das stimmt mich positiv. Die Ärzte können ihre Kräfte auch positiv einsetzen. Hoffentlich bleibt das so.
PS: Am 1. April 09 gab es in St.Gallen auch kreative Ärzte. Statt auf die Strasse zu gehen, machte diese Hausarztband Musik für Patienten und Kollegen.