27.06.2011

Lobbyisten Unsinn

Interessenvertreter vertreten Interessen. Daran ist an sich nichts auszusetzen. Allerdings greifen sie gelegentlich zu Argumenten, die – ökonomisch gesehen – absurd sind. In der letzten Woche bin ich zwei schönen Beispielen aus dem Umweltbereich begegnet.

Beispiel 1: Schneekanonen

Eine bewährte Methode zur Gewinnung staatlicher Subventionen besteht darin, einen Service Public zu erfinden. Diesem Rezept ist ein Bündner Politiker gefolgt, der letzte Woche tatsächlich im Fernsehen behauptete, dass der Betrieb von Schneekanonen ein Service Public und folglich von der öffentlichen Hand zu finanzieren sei.

Aufgrund ihrer negativen Externalitäten für die Umwelt – Energie- und Wasserverbrauch, Störung der Vegetation, Lärm, Verschandelung der Landschaft – müsste man Schneekanonen eigentlich im ganzen Alpenraum besteuern. Damit würde dem absurden Wettrüsten der Skigebiete zulasten der Umwelt Einhalt geboten: vgl. Beobachter, 2003.

Der Lobbyist verlangt im Dienste seiner Talschaft aber das genaue Gegenteil. Damit wird einzig das bestehende Überangebot an Seilbahnen zementiert. Unrentable Anlagen werden zulasten des Steuerzahlers künstlich am Leben erhalten.

Beispiel 2: Littering

Schweizer Städte wollen vermehrt die Anbieter von „Essen über die Gasse“ (neudeutsch Take Aways)  zur Kasse bitten. Gemäss dem Bundesamt für Umwelt, verursacht das „Littering“ (altdeutsch Abfallwegwerfen) von Take-Away-Abfällen jährlich Reinigungskosten von 73 Mio. CHF, welche von den städtischen Steuerzahlern berappt werden.

Gemäss Verursacherprinzip ist es angezeigt, die Verkaufsstellen entweder zur Reinigung zu verpflichten oder ihnen die entstehenden Kosten zu überwälzen. Die Stadt Bern hat dies versucht, aber Detailhändler, u.a. Migros und Coop, klagten dagegen. Und ein gewiefter Lobbyist wehrt sich vor der Kamera von 10vor10.

Der Geschäftsführer von Bern City, dem städtischen Detaillistenverband, glaubt mit einem banalen, legalistischen Argument die Verantwortung abwälzen zu können. Die Verkäufer seien „zum Zeitpunkt der Entsorgung nicht Inhaber der Verpackung, des Gebindes oder des PET-Fläschchens.“

Wie bitte? Die Verkäufer machen enorme Umsätze und wohl auch Gewinne mit den Mitnahmeessen. Wenn sich ihre Kunden nicht umweltgerecht verhalten, sind die entstehenden Kosten in die Preise einzurechnen. So einfach wäre das.

Weil bei etwas höheren Preisen aber die nachgefragte Menge sinkt (in Abhängigkeit der Preiselastizität der Nachfrage), wehren sich die Detaillisten. In Bern waren sie vor dem Verwaltungsgericht mit ihrer Klage gegen die neue Gebührenordnung erfolgreich, sodass die Stadt inzwischen vor das Bundesgericht gezogen ist.

Die Frage lautet, ob eine Finanzierung der Abfallentsorgung in diesem Falle durch höhere Steuern oder Abgaben zu erfolgen hat. Ökonomisch gesehen ist die Antwort klar: Nur das Verursacherprinzip vermag die richtigen Anreize zu setzen. — Wir dürfen gespannt sein, wie viel unser höchstes Gericht von Ökonomie versteht…

Kommentare

Ich habe diesen Beitrag ebenfalls gesehen und mich über die Äusserung amüsiert.
Ich möchte Sie jedoch auf folgenden Umstand hinweisen:
Würde man die gleichen Kriterien auf den letzten Satz “Wirtschaftswachstum ohne Zuwanderung” anwenden (-”…Wer also gegen Zuwanderung, aber für Wirtschaftswachstum ist, muss für Investitionen in Forschung, Entwicklung und Bildung eintreten.”)
, könnte der Eindruck entstehen, Sie möchten mehr Subventionen im Bildungsbereich, was Sie als Dozent ebenfalls zu einem Lobbyisten machen würde.

@D. Lehmann: Ja, ich lobbyiere für ökonomisch rationale Lösungen gesellschaftlicher Probleme. Meist geht es dabei um das Finden von Anreizstrukturen, die zur effizienten Verwendung knapper Mittel beitragen. Denn dann bleibt für alle am meisten übrig. — Weil ich nicht über die Professonalität berufsmässiger Lobbyisten verfüge, würde ich mir diesen Titel allerings nicht anmassen. Sollte ich allenfalls als “Lobbyist der ökonomischen Vernunft” gelten, kann ich gut damit leben.
Im von Ihnen erwähnten Beispiel argumentiere ich allerdings nicht für Bildungssubventionen. Ich sage nur, dass die Befürwortung von Wirtschaftswachstum ohne Zuwanderung ein Eintreten für Innovation und Bildung (als eine der Voraussetzungen für Produktivitätswachstum) impliziert. In wiefern dies über bessere Rahmenbedingungen, mehr Wettbewerb oder eben Subventionen geschieht, steht auf einem anderen Blatt.

Einsichtige Auto-Lobby
Im Gegensatz zu den Lobbyisten in den obigen Beispielen, hatten die Auto-Lobbyisten letzte Woche ein Einsehen. “Auto Schweiz” hat nämlich beschlossen, kein Referendum gegen die Teilrevision des CO2-Gesetztes zu ergreifen.
Neuwagen mit einem Ausstoss von mehr als 130 Gramm CO2 pro Kilometer sollen ab dem nächsten Jahr mit einer zusätzlichen Abgabe belastet werden. Die Importeure wollen die Preise entsprechend erhöhen, also auf die Kunden überwälzen; vgl. Bericht in 10vor10. — Anders als die Detaillhändler in Bern wehrt sich Auto Schweiz also nicht gegen das Verursacherprinzip.
In wiefern die Neuregelung beim CO2 ökonomisch sinnvoll ist, diskutiere ich im nächsten Blogeintrag.

Wenn der erste Abschnitt Ihres Eintrag von 14.17Uhr uneingeschränkt zutrifft, hätten Sie einfach “private Investitionen” schreiben können, oder? -Denn wer könnte Bildung besser allozieren, als der freie Markt?

@D. Lehmann.
“Denn wer könnte Bildung besser allozieren, als der freie Markt?”
Sehr schöne Glatteis-Frage! Die Kurzantwort:
Ökonomisch gesehen ist Bildung ein privates Gut mit positiven externen Effekten. Somit ergibt sich durchaus Raum für die Diskussion staatlichen Handelns. — Das wäre dann ein prima Thema für einen weiteren Blogbeitrag.

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