Die Zuwanderung ausländischer Arbeitnehmer ist eines der politisch heissesten Themen im (Wahl)Jahr 2011. Der Hunger der Wirtschaft nach qualifizierten Arbeitskräften und die Attraktivität der Schweiz haben seit Einführung der Personenfreizügigkeit mit der EU zu einem positiven Migrationssaldo geführt. Doch ist die Zuwanderung für unser Wirtschaftswachstum zwingend?
Ökonomisch gesehen lautet die Antwort Nein. Wachstum ohne Nettozuwanderung ist im Prinzip möglich, aber nur unter gewissen Voraussetzungen.
Die grundlegende Bedingung ist, dass die Produktivität steigt. Wirtschaftswachstum entsteht nämlich nicht nur dadurch, dass zusätzliche Arbeitskräfte eingesetzt werden, sondern dass die bestehenden Arbeits- und Kapitalausstattungen produktiver eingesetzt werden.
Produktiver wird die Arbeit vor allem durch drei Faktoren. Erstens, durch vermehrten Kapitaleinsatz und Innovationen. Je umfangreicher und besser die eingesetzten Geräte, Maschinen und Anlagen, umso grösser ist die Arbeitsproduktivität. Dies gilt nicht nur in der traditionellen Industrieproduktion, sondern auch im Dienstleistungssektor. So ist bei Banken und Versicherungen die Produktivität der Mitarbeiter in den letzten 20 Jahren durch den Einsatz von IT massiv gesteigert worden. Moderne Skilifte und Bahnen befördern ein Vielfaches an Touristen im Vergleich zu früher. Allerdings ist das Potenzial zur technischen Produktivitätssteigerung bei Dienstleistungen aufgrund des hohen Anteils menschlicher Arbeit begrenzt.
Zweitens steigt die Produktivität durch laufende Anpassung und Verbesserung der Prozesse und Verfahren auf betrieblicher Ebene. Dies ist die Aufgabe des Managements und bedarf eines gut ausgebildeten Personals. Dies gilt, drittens, nicht nur auf Ebene des Kaders, sondern auf allen Ebenen eines Betriebes. Investitionen in Humankapital, sprich Aus- und Weiterbildung, sind fundamental für eine höhere Produktivität und damit weiteres Wachstum.
Und dies ist der zentrale Punkt. Die heutige Zuwanderung beruht massgeblich auf einem Mangel an qualifizierten Mitarbeitern. So lange die Schweiz nicht in der Lage ist, Fachkräfte in der notwendigen Qualität und Menge selbst hervorzubringen, ist sie auf deren Import vom Ausland angewiesen.
Ein Paradebeispiel liefert das Gesundheitswesen, wo vor allem die Ausbildung der Mediziner seit langer Zeit vernachlässigt wurde. Die Feminisierung des Arztberufs, einhergehend mit vermehrtem Wunsch nach Teilzeitarbeit und einem Anstieg der Nachfrage seitens der Spitäler, führte zu einer Lücke, die bislang nur durch Zuwanderung geschlossen werden konnte. Das inländische Angebot liegt beim medizinischen Nachwuchs in den Händen einiger Kantone, welche entsprechende Studienplätze anbieten. Gemäss Statistik (BfS) ist die Zahl der inländischen Abschlüsse in Humanmedizin seit 1990 etwa konstant geblieben (ca. 700), und dies obwohl die Zahl der Ärztinnen und Ärzte in unserem Lande seither von 21′000 auf gut 30′000 gestiegen ist.*
Zusammenfassend zeigt sich, dass stetiges Wirtschaftswachstum zwar auch ohne Zuwanderung denkbar wäre, aber nur bei massiven Produktivitätsfortschritten basierend auf Innovationen sowie Investitionen in Sach- und Humankapital. Letztere wurden in einigen Bereichen, wie dem Gesundheitswesen, aber auch in technischen Berufen, klar vernachlässigt.
Wer also gegen Zuwanderung, aber für Wirtschaftswachstum ist, muss für Investitionen in Forschung, Entwicklung und Bildung eintreten.
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*Zahl von 1990 gemäss Bundesamt für Statistik, beruhend auf der Volkszählung; Zahl von 2009 gemäss Ärzteverband (FMH), beruhend auf der Ärztestatistik.