Australien ist ein erstaunliches Land. Neuerdings kann hier ein Koch wesentlich mehr verdienen als die Premierministerin Julia Gillard. Sie kommt auf 355‘000 AU$ pro Jahr, während ein Koch bis zu 445‘000 AU$ und ein Wäschereihelfer 424‘000 AU$ verdienen kann. Nominell entspricht das etwa dem selben Betrag in Schweizer Franken, wobei die Steuern und Abgaben leicht höher sind als bei uns. Spitzenreiter sind Schiffsschweisser, die bis zu 500‘000 AU$ verdienen; vgl. The Australian. — Wie kann das sein?
Ökonomisch gesehen sollten Löhne – als Preise für Arbeit – etwas mit Angebot und Nachfrage zu tun haben. Jedenfalls in gut funktionierenden Arbeitsmärkten. Gegenwärtig scheint sich aufgrund der hohen Nachfrage nach Arbeitskräften im Energie- und Bergbausektor allerdings eine Blase zu bilden.
Die Superlöhne für Köche, Wäscher und Schweisser werden nämlich beim Bau von Erdölplattformen auf See geboten. Am meisten bekommt, wer ein Jahr lang 4 Wochen am Stück, mit anschliessend 2 Wochen Pause, arbeitet. Mit den harten Arbeitsbedingungen erklärt sich ein Teil des hohen Lohns.
Weil aktuell sehr viele neue Projekte zur Gewinnung von Öl, Kohle, Mineralien und Erzen v.a. in Westaustralien und Queensland im Entstehen sind, ist eine Art Preiskampf entbrannt, der selbst nicht sehr qualifizierte Positionen, wie eben Wäschereimitarbeiter, erfasst hat. Es wird davon ausgegangen, dass im australischen Energie- und Bergbausektor in den nächsten Jahren 250‘000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden; vgl. Blogeintrag.
Zu den hohen Löhnen scheinen aber auch neue Arbeitsmarktregulierungen und starke Gewerkschaften beigetragen zu haben. Der Arbeitgeberpräsident der Australian Mines and Metals Association, Steve Knott, jedenfalls geisselt „irresponsible unions using the new workplace laws to force employers to agree to unsustainable wage levels.”
Die möglichen Folgen dieser Entwicklung sind noch nicht ganz absehbar. Es wird befürchtet, dass der Energie- und Bergbausektor in den nächsten Jahren massiv Arbeitskräfte anziehen und binden wird, sodass diese in anderen Sektoren und manchen Landesteilen knapp werden könnten. Jedenfalls kann ein Lohnschub im ganzen Land entstehen, und dies nicht nur bei spezialisierten Fachkräften.
Das Entstehen einer Lohn-Preis-Spirale hätte inflationäre Wirkungen und würde die Wettbewerbsfähigkeit negativ beeinflussen, falls die Löhne schneller wachsen als die Produktivität. Zudem wird das Land noch stärker von einem Sektor abhängig, welcher seinerseits stark von den internationalen Energie- und Rohstoffpreisen abhängig ist.
Auch wenn Australien in den kommenden Jahren wirtschaftlich stark vom Boom bei Kohle, Eisenerz, Mineralien und Oel profitieren kann, besteht die Gefahr, dass sich das Land längerfristig in einer Wirtschaftsstruktur verfängt, die sich zu sehr am wertschöpfungsschwachen, primären Sektor und volatilen Rohstoffpreisen orientiert und sich deshalb eines Tages als nicht nachhaltig für die Erhaltung des Wohlstands erweisen könnte.